Nürnberg (pm) – Die gerade vollendete Feuer- und Rettungswache 5 Filder geht aus einem Realisierungswettbewerb im Jahr 2015 hervor, in dem unser Entwurf mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde. Die Wache liegt im Süden Stuttgarts im Stadtbezirk Degerloch im sogenannten Hansa Areal, einem für Gewerbe und Wohnen genutzten Gebiet. Die ca. 10.000 m² Nutzfläche der neuen Wache stehen nun folgenden Sonderfunktionen zur Verfügung: Der Berufs- und freiwilligen Feuerwehr, der Höhen‐ und Tiefenrettung, dem medizinischen Rettungsdienst, einem Katastrophenschutzzentrum, der Logistikabteilung der Freiwilligen Feuerwehr und der Verwaltung des Aus‐ und Fortbildungszentrums mit Büros. Sie liegt sehr nahe an der Bundesstrasse 27 und der Autobahn A 8, der Autobahnanschlussstelle Stuttgart Degerloch 52B, dem sogenannten Echterdinger Ei, sodass nach dem schnellen Ausrücken städtische, suburbane und regionale Ziele effizient erreichbar sind. Die umliegende Bebauung ist drei- bis fünfgeschossig, die markante Architektur der Feuer- und Rettungswache mit ihrem hohen schlanken Übungsturm kann sich so als Landmarkarchitektur ausbilden.


Struktur
Zur Wache, die als Nutzungsring konzipiert ist, gehören Rettungswache, Feuerwache, Landesfeuerwehrverband und Katastrophenschutzzentrum. Den Nutzungsring formen vier Bausteine aus, die durch ihre Anordnung einen schützenden Hof bilden. Um diesen gruppieren sich die Fahrzeughallen, Werkstätten, das Katastrophenschutzlager und der Logistikbereich. Um optimal kurze Ausrückzeiten sicherzustellen, sind die Ruhe- und Aufenthaltsräume für die Feuerwehrleute direkt oberhalb der Fahrzeughallen untergebracht.
Merkmale von Feuer- und Rettungswachen
An Feuer- und Rettungswachen sind komplexe Anforderungen gestellt und man kann, wie in dem Fall der Feuer- und Rettungswache 5 Filder dem Bau seine innere Komplexität von außen nicht ansehen. Feuer- und Rettungswachen sind öffentliche Gebäude, bei denen neben einer Bandbreite unterschiedliche Nutzungen Funktionalität und Sicherheit im Mittelpunkt stehen. Dazu sollen sie energieeffizient und nachhaltig sein: In dem Fall der Feuer- und Rettungswache Stuttgart konnte ENEV 2016 um 13 % übertroffen werden. Bär Stadelmann Stöcker (BSS) Architekten planen seit 2009 Feuerwehreinrichtungen und haben für Entwurfskonzepte dieser Gebäudetypologie eine besonders große Expertise: Arbeitsabläufe in Feuer- und Rettungswachen sind BSS gut vertraut, dazu die Anforderungen, die die öffentlichen Auftraggeber an sie stellen.


Die Stuttgarter Wache 5 im Stadtraum
Der Entwurf für die Stuttgarter Feuer- und Rettungswache 5 reagiert mit seinen Höhenentwicklungen auf die stadträumlichen Bedingungen. Zur Sigmaringer Straße hat die Wache eine höher geschossige Raumkante, zur nördlich ausgerichtet mit Wohnbebauung hin fällt sie um ein Geschoss ab. Zur Sigmaringerstrasse hin ist eine Auskragung der Obergeschosse als Vordach der Ausfahrten aus den Fahrzeughallen ausgeformt. Sie verleiht der Hauptfassade der Feuerwehr einen kompakten, summarischen Charakter. Gleichzeitig verweist sie auf danebenliegenden Haupteingang der Wache.
Zur nördlich angeordneten Wohnbebauung sowie zu dem dort angesiedelten Grünzug ist der Baukörper im Wesentlichen zweigeschossig mit einer Traufhöhe von etwas über 11 Metern. Der Baukörper schirmt die zukünftige Wohnbebauung vor Schallemissionen ab. Aus der gemäßigten Höhenentwicklung bricht der Übungsturm für die Mitarbeiter aus und setzte einen starken vertikalen Akzent. Zwar ist er in das architektonische Ganze eingebunden, dennoch ragt er wie eine Skulptur empor. Die Anlage tritt mit einer reduzierten und klaren Form- und Materialsprache in den städtischen Raum. Ihr kompakter Baukörper ist sensibel mit dem Stadtraum verbunden, die Baumassen sind geschickt gegliedert. Innen überzeugen hohe Funktionalität und Aufenthaltsqualität. Die Räume können natürlich belichtet und gelüftet werden. Die Außenwirkung bestimmt auch die ruhige, vorgemauerte, von weniger schmalen Horizontalbändern gegeliederte Klinkerfassade.
Nutzungen
Den ordnenden, schützenden Hoftypus des Nutzungsrings vier Einzelbaukörper mit fugenartig ausgebildeten Verbindungen. Im Bereich des südlichen, zur Sigmaringer Straße ausgerichteten Gebäudeflügels werden die Fahrzeughallen für die Feuerwehr und den Rettungsdienst angeordnet. In den darüber liegenden Geschossen sind die Bereitschafts-, Aufenthalts- und Büroräume angesiedelt. Diese werden jeweils durch eine Mittelflurspange erschlossen, die durch zentrale Lichthöfe gegliedert und mit Tageslicht versorgt wird. Der westliche Gebäudeflügel nimmt im Erdgeschoss die Werkstätten und Waschhallen auf. In den Obergeschossen werden Fitness- und Gymnastikräume, dazu diverse Lager-, Technik- und zum Innenhof hin orientierte Büroräume untergebracht. Im Bereich des nördlichen Gebäudeflügels finden erdgeschossig die Fahrzeughallen und Lagerräume des Katastrophenschutzes Platz. Dem ruhenden Verkehr wird eine oberirdische Parkgarage im 1. Obergeschoss bereitgestellt. In dem nach Osten ausgerichteten Gebäudeflügel sind erdgeschossig der Empfang und die Besucherräume und innenhofseitig die Fahrzeughallen der Höhenrettung untergebracht. Die Obergeschosse bieten Platz für den Landesfeuerwehrverband, die Jugendfeuerwehr und Besprechungsräume. Hier sorgen Oberlichter für ausreichend Tageslicht im Bereich des Mittelflures.
Materialsprache und Specials
Das Gestaltungskonzept im Material- und Konstruktionsbereich entspricht der Nutzungsintensität der Architektur. Die Vormauerung der Fassaden mit rotem Klinker bietet den Vorteil einer robusten Oberfläche sowie der natürlichen Alterung. In der Ästhetik bezieht sich die Fassade auf die Weimarer Sachlichkeit. Der Anteil der Fensterfläche zur geschlossenen Fassade führt zu einer ausreichenden Tageslichtversorgung und dient einem ausgeglichenen Verhältnis von winterlichem Energieeintrag und sommerlichem Wärmeschutz. Im Bereich der Hallen und Werkbereiche sind dauerhafte, robuste verwendet. Als warmer Kontrast zu den Sichtbetonoberflächen haben die Ausbauelemente natürliche Holzoberflächen. Um die Aufenthaltsqualität für und die Fitness der Mitarbeiter der Wache hochzuhalten bzw. deren Gesundheit zu fördern, gibt es ein Fitnessstudio, eine Kletterwand im Übungsturm und eine hauseigene Kantine mit nachhaltigem Essen.


Fakten
Realisierungswettbewerb 2015 – 1. Preis
Bauherr: Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt vertreten durch Technisches Referat
Standort: Sigmaringerstraße (Hansa Areal), Stuttgart
Planungs- und Bauzeitraum: 2015 – 2024
Architektenleistungen: LPH 1-4 (Objektplanung)
Ausführungsplanung/Bauleitung: LPH 5-9 Wenzel + Wenzel, Stuttgart
Gesamtkosten: 39,5 Mio € (Stand 31.07.2017)
KG 200-500
BGF: 14.265 m², BRI: 71.221 m3
NF: 9.264 m2
Das Büro Bär Stadelmann Stöcker (BSS)
Friedrich Bär, Bernd Stadelmann und Rainer Stöcker gründeten 1999 die Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten und Stadtplaner PartGmbB (BSS Architekten). Grundstein dafür war der gemeinsame Wettbewerbsgewinn für den Neubau der Justizvollzugsanstalt Landshut im gleichen Jahr. Das 74 Mio. € umfassende Vorhaben des Freistaats Bayern wurde über alle Leistungsphasen begleitet und im Jahr 2008 mit dem 3. Bauabschnitt fertiggestellt. Seit 1999 ist das Büro stetig gewachsen und zählt heute mit über 50 Mitarbeitern und fünf Assoziierten an den zwei Standorten Nürnberg und München zu den wettbewerbsfähigsten Büros in Deutschland laut den competitionline-Rankings. Das gesamte Team von BSS Architekten betrachtet die Gestaltung von Räumen und Gebäuden für Menschen als grundlegende Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt. Architektur wird als treibende Kraft für positive Veränderungen in der Gesellschaft verstanden. Mit einer ganzheitlichen Herangehensweise werden Forschung und Design mit ethischen Prinzipien verbunden, um harmonische und nachhaltige Lösungen zu schaffen.
Quelle: Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten und Stadtplaner PartGmbB