19. April 2024

Beton unter Hochspannung: Hochschule Koblenz erforscht innovative Betonzerkleinerung

Foto: Hochschule Koblenz/Stolz

Koblenz (pm) – In den kommenden Jahren sind Rohstoffengpässe in der Bauindustrie zu erwarten – auch im Bereich der Herstellung von Beton. Herkömmliche Methoden der Wiedergewinnung der Gesteinskörnung, wie durch den Einsatz mechanischer Brecher, ermöglichen keine sortenreine Wiedergewinnung. Forschende des Hochspannungslabors und der Amtlichen Prüfstelle für nichtmetallische Bau- und Werkstoffe der Hochschule Koblenz nutzten nun erstmals Hochspannungsimpulse, um Betonprüfkörper zu zerlegen. Dabei zeigte sich deutlich, dass dieses Verfahren sehr viel Potential zur Wiedergewinnung des Baustoffs aufweist.

„Im Hochspannungslabor der Hochschule Koblenz haben wir in den vergangenen Jahren so einiges an Prüfequipment und Prüfkomponenten der Hochspannung ausgesetzt, aber Beton war noch nicht dabei – bisher“, berichtet Prof. Dr. Johannes Stolz, Leiter des Hochspannungslabors am RheinMoselCampus der Hochschule. Hintergrund des kürzlich gestarteten gemeinsamen Forschungsprojekts ist die natürliche Verknappung der essenziellen Bestandteile für den Beton. Diese sei bereits jetzt spürbar und werden innerhalb der nächsten Jahre signifikant steigen, fürchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Eine sortenreine Wiedergewinnung der Gesteinskörnung ist aber aufgrund der anhaftenden Zementsteinmatrix, also der ausgehärteten Wasser-Zement-Phase, durch die herkömmlichen Methoden nicht möglich“, erklärt Peter Sudermann, Laborleiter der Amtlichen Prüfstelle.

Die Zerlegung von vorhandenem Betongestein geschieht bislang üblicherweise durch mechanische Brecher. In diese werden die grob gebrochenen Betonbrocken geworfen und mit großen Brechern mechanisch zerkleinert. Das so entstandene Bruchmaterial besitzt zwar eine hohe Recyclingrate von über 75 Prozent, wird aber in Deutschland zur Wiederverwendung in Betonstrukturen kaum im selben Stoffkreislauf genutzt. Betonkonstruktionsbauteile, wie Teile einer Brücke, können nach dem Brechen zum Beispiel nur noch als Unterbau im Straßenbau verwendet werden. Grund dafür sei die fehlende Sortenreinheit beim mechanischen Brechen: „Durch das mechanische Brechen werden die einzelnen Bestandteile des Betons nicht sortenrein getrennt. Die Bruchflächen laufen oft durchs Gesteinskorn durch“, erklärt Peter Sudermann. Dieses Problem könne mit der Hochspannungsimpulszerlegung zu großen Teilen behoben werden. Durch schnelle Hochspannungspulse wird das Material so aufgebrochen, dass eine saubere Zerlegung von Sand, Steinen und Zementstein geschehen kann. Die sortenreine Sortierung passiert dann in der Folge durch Sieben und Waschen. „Unsere bisherigen Untersuchungen zeigen, dass das elektrisch aufgebrochene Material offenbar direkt wiederverwendet und die nutzbare Recyclingrate deutlich erhöht werden kann“, betont Sudermann.

Technisch möglich macht dies der Effekt der Maxwell-Wagner-Polarisation – der frequenzabhängigen Durchschlagsspannung von Wasser. Einem in Wasser eingetauchten Betonblock werden Hochspannungselektroden aufgesetzt. Das Wasser dient als Isolator und führt das elektrische Feld – sehr schnelle Hochspannungsimpulse, die etwa zehnmal schneller als bei einer Blitzentladung wirken – durch den Beton und hier direkt an den Korngrenzen im Beton vorbei. „Das ist auf den ersten Blick absolut nicht intuitiv ersichtlich, kennt man doch die Leitfähigkeit von Wasser und die von Beton“, erklärt Felix Bunk, der als Student der Elektrotechnik die fast sechsmonatige Untersuchung im Rahmen seiner Studienarbeit durchgeführt hat. Durch die Entladung der schnellen Hochspannung bildet sich eine Schockwelle im Betongestein aus, welche den Betonblock von innen auseinandersprengt. Auch der Energieverbrauch ist dabei außerordentlich gering: Verglichen mit dem Energieinhalt eines typischen Smartphone-Akkus könnte man etwa 2.200 Impulse mit einer einzigen Akkuladung generieren.

„Ansatz für unsere Versuche waren die Forschungsberichte des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in Valley der Gruppe Seifert/Thomé. Wir sind mit unseren eigenen Ergebnissen sicherlich noch ganz am Anfang, aber es zeigt sich bereits jetzt das große Potential solcher Anlagen. Ob wir den Bereich von mehreren Tonnen pro Stunde erreichen können, die die Industrie für den Einsatz benötigen würde, können wir zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir bewegen uns aber auf jeden Fall in die richtige Richtung“, betont Johannes Stolz.

Pressemitteilung: Hochschule Koblenz