2. Mai 2024

BDA Bayern zur Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV

München (pm) – Das Potemkinsche „Neue Europäische Bauhaus“ – Die EU-Kommission will „beautiful, sustainable, together“ bauen, legt aber Kommunen und Planenden Steine in den Weg.

Damit der „European Green Deal“ für ökologischen Wandel und Klimaneutralität auch beim Bauen gelingt, wurde das „Neue Europäische Bauhaus“ von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Leben gerufen. Dabei sollten die Menschen in Europa für „nachhaltige“ Architektur dadurch begeistert werden, dass diese nicht nur notwendig ist, sondern auch „schön“ sein wird und „gemeinsam“ erreicht werden kann. Hehre Ziele, die aber jetzt in Deutschland zur inhaltsleeren Sprechblase verkommen und in eklatantem Widerspruch zum tatsächlichen Handeln der EU-Kommission stehen.

Warum ist das so? Aktuell wegen einer mehr als fragwürdigen Auslegung des grundsätzlich sinnvollen EU-Vergaberechts. Mit der Entscheidung des Bundesrates vom 16.6.2023 wird ab jetzt gefordert, dass selbst bei kleineren, öffentlichen Gebäuden knapp unter einer Million Euro die Planung europaweit mit einem aufwendigen Verfahren ausgeschrieben werden muss. Selbst eine Kindertagesstätte mit nur drei Gruppen liegt deutlich über dieser Summe und wäre künftig davon betroffen. Das ist insbesondere deshalb unverhältnismäßig, da solche aufwendigen Vergabeprozeduren für Bauleistungen erst bei sechsmal so großen Bauvorhaben erforderlich werden.

Dieses Fiasko betrifft zum einen die Kommunen, die Gebäude für ihre Bürgerinnen und Bürger benötigen und den Umbau oder Neubau vergaberechtskonform beauftragen müssen, die nun mit noch mehr Bürokratie endgültig überfordert werden. Zum anderen wird zukünftig einem Großteil der Architektinnen und Ingenieuren der Marktzugang verwehrt, die bei diesen Vergabeformen nicht mehr für ihre öffentlichen Auftraggeber tätig sein können.

Grund ist die eigentlich sinnvolle Intention, den Binnenmarkt für alle europäischen Planer zugänglich zu machen, wobei sich gezeigt hat, dass es selbst bei den bislang europaweit ausgeschriebenen, großen Planungsaufträgen so gut wie kein Interesse ausländischer Büros gab. Am Ende führt ein europaweit ausgeschriebenes Vergabeverfahren aber dazu, dass die damit verbundenen schwerfälligen und überzogenen Ausschreibungsbedingungen viele Architekten und Ingenieurinnen, gerade kleinere und jüngere Büros aufgrund von vorneherein feststehender Chancenlosigkeit daran hindern, sich um diese Aufträge zu bewerben. Aus einem von der EU-Kommission bestenfalls gut gemeinten, theoretischen Marktzugang wird ein schlecht gemachtes, praktisches Markthindernis in den Regionen.

Dabei ist es vollkommen unverständlich, warum das Bundeswirtschaftsministerium, das hier für die Umsetzung auf nationaler Ebene zuständig ist, in vorauseilendem Gehorsam sich nicht gegen das Vertragsverletzungsverfahren gewehrt hat. Dieses wurde von der EU-Kommission angedroht, falls der entsprechende Paragraf nicht gestrichen wird, der den beschrieben Dammbruch bisher verhindert hatte. Und das, obwohl eine Beurteilung durch den EuGH völlig offen war. Wohlgemerkt dieselbe EU-Kommission, die das „Neue Europäische Bauhaus“ propagiert, zuletzt auf der Biennale in Venedig, und dabei gleichzeitig die wirtschaftlichen und praktischen Arbeitsbedingungen des Berufsstands negiert, ohne den es das Original dieses „Bauhauses“ nie gegeben hätte.

Den letzten Sargnagel hat dann vergangenen Freitag der Bundesrat eingeschlagen, als er der Streichung des ausschlaggebenden Paragrafen ebenso zugestimmt hatte, wobei sich fünf Bundesländer, unter anderem Bayern, dagegen und somit für die Bewahrung der bisherigen Regelung ausgesprochen hatten.

Die heute mehr denn je von den Bürgerinnen und Bürgern zu Recht geforderte Transparenz wird durch die neue Regel nicht gestärkt, sondern im Gegenteil geschwächt. Denn es ist absehbar, dass die Vergabestellen Wege suchen werden, von einer separaten Vergabe der Planerleistungen abzuweichen, um den Aufwand in Grenzen zu halten. „Die Gefahr ist absolut realistisch, dass dann Planen und Bauen in einem Stück an Generalübernehmer vergeben werden, wo die unabhängige Kontrolle und Sicherung der Bauqualität durch Architektinnen und Architekten für ihre kommunalen Auftraggeber ausgehebelt wird. Damit wird es auch schwer oder gar unmöglich sein, erdverträgliche Lebens- und Gebrauchsqualität in der gebauten Umwelt zu erreichen­ – also Baukultur zu schaffen“, so Dr. Jörg Heiler, Vorsitzender des BDA Bayern, in dessen Landesverband mit München-Neuperlach eines der fünf Leuchtturmprojekte des „Neuen Europäischen Bauhauses“ liegt.

Man kann auch die Frage stellen, ob die Vergaberegeln dann noch von allen eingehalten werden können. Der Bayerische Gemeindetag und der Bayerische Städtetag haben beispielsweise bereits darüber informiert, dass die Einhaltung der Vergabegrundsätze keine Auflage im Zuwendungsverfahren mehr darstellt. Aus Sicht der Kommunen wahrscheinlich ein durchaus begrüßenswerter Schritt, im Sinne von Transparenz und Chancengleichheit aber kontraproduktiv.

Ganz klar wird zudem der von der Bundesregierung und der EU ausgerufene ökologische Wandel ins Stocken geraten, weil viele rare Fachkräfte aus der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Matthias Köppen, Referent für Wettbewerb und Vergabe im BDA Landesvorstand Bayern, ist davon überzeugt, dass „energetisches Sanieren und Ressourcen schonendes Umbauen im Bestand als wesentliche Elemente einer nachhaltigen Bauwende in der Fläche und in den ländlichen Räumen, bei den unzähligen, auch vielen kleineren Aufgaben nur mit den bestehenden vielfältigen, mittelständischen und insbesondere kleinen Architekturbüros funktionieren werden. Mit Inhaber geführten Büros, die als Arbeitgeber regional verankert sind, direkt da für die Bewohner und Bürgermeisterinnen. Gemeinsam mit dem Handwerk vor Ort. Robust, gerade auch in Krisen.“

Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten Bayern fordert daher eindringlich aus europäischer Überzeugung die EU-Kommission, insbesondere deren Präsidentin Ursula von der Leyen auf, die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Vergabe so zu gestalten, dass die Werte und Qualitäten des „Neuen Europäischen Bauhauses“ nicht nur Worte bleiben, sondern in der Tat in „gemeinsamen“ Planungs- und Bauprozessen für „schöne“ und „nachhaltige“ Architektur von allen Architektinnen und Ingenieuren umgesetzt werden können.

Pressemitteilung: BDA Bayern