9. September 2024

BBS Architekten: Rathausneubau und Schlosssanierung in Herzogenaurach

Nürnberg (pm) – Auf dem Gelände eines burgähnlichen Castrums mit Wassergraben, das nach Quellenlage schon im 12. Jahrhundert entstanden ist und seit dem 13. Jahrhundert Residenz eines Amtmannes war, stand als Ergebnis der Zeitläufte bis in unser Jahrhundert hinein ein barockes Stadtschloss. Seit den 1960er Jahren gehört dieses Areal der Stadt Herzogenaurach, die nach Erwerb dann einen Anbau errichten ließ. Nach der Jahrtausendwende war dieser Neubau weder in energetischer noch in ästhetischer Hinsicht für die Zukunft tragbar und außerdem zu klein für die stetig wachsende Verwaltung der mehr als 26.000 Einwohner zählenden Stadt. 2019 wurde der Verwaltungsbau aus den 1960er Jahren abgerissen und durch den Rathausneubau von BSS Architekten ersetzt. Das mittlerweile denkmalgeschützte Schloss wurde in dem gleichen Zeitraum generalsaniert.

Voraussetzungen und Entwurf

Im September 2014 veranlasste der Herzogenauracher Stadtrat einen Architekturwettbewerb für die Planung und den Bau eines Rathausneubaus. Im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung der Architektenleistungen überzeugte 2015 der Entwurf von Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten (BSS Architekten) für den Neubau und wurde im Rahmen des Realisierungswettbewerbs mit dem 1.Preis ausgezeichnet. Wie der Entwurf aussah? Er wurde als ein Gebäudekomplex aus Schloss und Neubau konzipiert, der als konsequenter Ringschluss angelegt ist, sodass eine klare Wegeführung und Orientierung im Rathaus geschaffen werden konnte. Die äußeren Wege verbinden das Rathaus wieder mit dem gewachsenen Wegenetz der Innenstadt und auch mit dem Schlossgraben als Erholungs- und Freizeitraum. Auf diese Weise ist das Rathaus städtebaulich wieder ins Zentrum gerückt und in der Mitte Herzogenaurachs erlebbar.
Schlosssanierung: Parallel zum Rathausneubau wurde das im 18. Jahrhundert im Barockstil umgebaute Schloss generalsaniert.

Zwei Architekturen

BSS Architekten bauten das neue Rathaus nicht direkt an das Bestandsschloss an, sondern stellten es mit etwas Abstand zu diesem. Dadurch entstanden zwei sogenannten „Fugen“, zwei Spalte oder Zwischenräume zwischen den Bauteilen Alt und Neu. Die Fugen wurden so das bauliche Mittel, um Bestandsbau und Neubau als jeweils eigenständige Architekturen zu behandeln, die durch ihre ringartige Formation in der Gesamtwirkung jedoch wieder zu einem Ensemble verbunden sind. Durch diese Anordnung der Baukörper entstand, wie es schon zuvor gewesen war, wieder ein geschützter Innenhof.

Der Schlosshof hat für Herzogenaurach eine besondere Bedeutung. Im Sommer ist er Veranstaltungsort für Festivals und Aufführungen und damit Teil des Kulturlebens in Herzogenaurach. Der Schlosshof ist identitätsstiftend wie das Rathaus selbst, das zentrale Anlaufstelle für alle Bürger der Stadt und der umliegenden Gemeinden ist. Der Schlosshof hat eine einheitliche Ebene, über die die Eingangsbereiche zum Rathaus ohne Treppenstufen, barrierefrei, erreichbar sind. Das Bürgerbüro ist ebenerdig, eine taktile Leithilfe ermöglicht auch Sehbehinderten die Orientierung.

Um Neubau und Sanierung zu ermöglichen, zog die Stadtverwaltung Anfang Januar 2019 mit ihren rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für vier Jahre hier aus. Zum Ende des Jahres 2023 kehrte das Team wieder zurück und bezog den Rathausneubau von BSS Architekten und das saniertes Schloss von Herzogenaurach.

Nutzungen

Der Rathausneubau ist mehr als Behörde und Verwaltung. Im Untergeschoss befindet sich neben dem Ratskeller das Stadtarchiv, das Gedächtnis der Stadt Herzogenaurach. Bürgerbüro und die Touristeninformation sind im Erdgeschoss untergebracht. Ein weiteres architektonisches Highlight ist die Tourist Info im Erdgeschoss auf der Nahstelle zwischen Schlossbau und Neubau mit aufgeglaster Fassade. Im 1. Obergeschoss findet man die Stadtbücherei. Ein weiteres Highlight ist der neue Sitzungssaal mit überhöhtem Volumen, der über die normale Traufhöhe des Rathausneubaus hinausragt und eine großzügige Höhenentwicklung des Saales erlaubt. Auf 214m2 bietet er rund 200 Personen Raum. Alle Geschosse und Räume sind barrierefrei, vier Eingänge erschließen den Neubau.

Energetisch zukunftsweisend

Der Rathausneubau von Herzogenaurach steht für mehr. Er wurde (nach aktuellem Stand) sehr energieeffizient geplant. Er übertrifft die Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung und erfüllt unter Verwendung von Passivhaus-Komponenten den hocheffizienten KfW-55-Standard. Seine hohe Energieeffizienz wird durch die optimal gedämmte Gebäudehülle, die mechanische Be- und Entlüftung der Räume mit sehr leistungsfähiger Wärmerückgewinnung, die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung für die Grundlastversorgung des Gebäudes sowie durch die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Ratssaals erreicht – so ist das neue Rathaus für die nächsten Zukunftsetappen gerüstet. Auch die Fassadengestaltung mit Naturstein trägt zur Nachhaltigkeit des Rathausneubau bei. Naturstein hat von allen gängigen Fassadenbaumaterialien den niedrigsten CO2-Fußabdruck.

Innenraum für die Öffentlichkeit

Das Foyer und die Verkehrsflächen für die Öffentlichkeit empfangen die Mitarbeiter und Besucher mit der Materialtrias Holz, Naturstein und hellem Sichtbeton. Das Treppenhaus zählt an die 255 Naturstein-Treppenstufen. Treppenbrüstungen, Türen und andere Ausbauten sind in warmem Eichenholz verkleidet. Sie geben dem hellen Naturstein und Sichtbeton einen Rahmen und dem offenen Raumgefüge eine lebendige Binnenstruktur.

„Als wichtigstes Ziel der Neuplanung stand die Erhaltung dieses für die Menschen in Herzogenaurach so wichtigen charakteristischen Ortes im Fokus. Der sich in der Mitte der Anlage befindliche Schlosshof wurde als Ausgangspunkt der Neukonzeption herangezogen.“

Friedrich Bär, Gründer und Geschäftsführer von Bär Stadelmann, Stöcker Architekten

Fakten:
Realisierungswettbewerb 2015 – 1. Preis, Fertigstellung Ende 2023
Bauherr: Stadt Herzogenaurach vertreten durch den Ersten Bürgermeister Dr. Geimann Hacker, Marktplatz 11, 91074 Herzogenaurach
Planungs- und Errichtungszeitraum: 2016 – 2023
Verfasser: Bär Stadelmann Stöcker Architekten und Stadtplaner PartGmbB
Architektenleistungen LPH 1-9
KG 300 + 400
Kosten: 22,4 Mio € (netto)
Honorarzone N
BGF: Neubau 6.371 m2, Bestand: 4.259 m2
BRI: Neubau 21.604 m3, Bestand: 15.340 m3

Quelle: Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten und Stadtplaner PartGmbB