9. Mai 2024

Baugenehmigungen für Wohnungen im Juli 2023: -31,5 % gegenüber Vorjahresmonat – Kommentare

Wiesbaden (pm) – Im Juli 2023 wurde in Deutschland der Bau von 21 000 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 31,5 % oder 9 600 Baugenehmigungen weniger als im Juli 2022. Von Januar bis Juli 2023 sank die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 27,8 %. Dies entspricht einen Rückgang um 60 300 auf 156 200 Wohnungen. Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben. In den Ergebnissen sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

Deutliche Rückgänge der Baugenehmigungen bei allen Gebäudearten außer in Wohnheimen

In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden von Januar bis Juli 2023 insgesamt 128 300 Wohnungen genehmigt. Das waren 31,6 % oder 59 200 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. Dabei ging die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um gut ein Drittel (-36,5 % bzw. -17 800 Wohnungen) auf 30 800 zurück. Bei den Zweifamilienhäusern sank die Zahl genehmigter Wohnungen sogar um mehr als die Hälfte (-53,2 % bzw. -10 200) auf 8 900. Auch bei der Gebäudeart mit den insgesamt meisten Wohnungen, den Mehrfamilienhäusern, verringerte sich die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich, und zwar um mehr als ein Viertel (-27,5 % bzw. -31 800) auf 83 600. Lediglich die Zahl der Wohnungen in Wohnheimen nahm um 10,6 % oder 500 auf 4 900 zu.

Seit März 2023 gibt es die Wohnbauförderung für klimafreundlichen Neubau der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Diese Förderung kann unter anderem von Privatpersonen zur Eigennutzung oder Vermietung sowie von Unternehmen beantragt werden. Noch ist kein eindeutiger Effekt dieser Maßnahmen auf die Genehmigungszahlen erkennbar: Die Zahl der Baugenehmigungen ging im Zeitraum März bis Juli 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar etwas stärker zurück (Einfamilienhäuser -39,5 % bzw. -14 100, Zweifamilienhäuser -53,5 % bzw. -7 300, Mehrfamilienhäuser -29,2 % bzw. -24 700 und Wohnheimen -8,4 % bzw. -300) als im Zeitraum Januar bis Juli 2023.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) | 2023

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Bauindustrie: Baugenehmigungen im Juli: Die Politik muss liefern

„Der freie Fall bei den Wohnungsbaugenehmigungen geht ungebremst weiter. Wenn die Bundesregierung beim Wohnungsbaugipfel im Kanzleramt nächste Woche Montag nicht entschlossen das Ruder herumwirft, wird die Wohnungsnot in Deutschland zementiert.“ Mit diesen Worten kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie Tim-Oliver Müller die Zahlen, die das Statistische Bundesamt heute bekanntgegeben hat. „Der zehnte aufeinanderfolgende Monat mit einem zweistelligen Genehmigungsrückgang, das ist ein trauriger Rekord“, so Müller.

Im Juli sei die Zahl der genehmigten Wohnungen (Neu- und Umbau) gegenüber dem Vorjahresmonat um 31,5 Prozent zurückgegangen, bei neuen Mehrfamilienhäusern um 31,2 Prozent. “Immer mehr Menschen müssen sich vom Wunsch nach den eigenen vier Wänden verabschieden. Allein im Juli sind 45,7 Prozent weniger neue Ein- und Zweifamilienhäuser genehmigt worden als im Vorjahr“, ergänzt Müller. Insgesamt habe in den ersten sieben Monaten 2023 die Zahl aller Genehmigungen mit 156.200 um 27,8 Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen. Dies sei das schwächste Ergebnis seit zehn Jahren.

Müller sieht nun die Politik in der Pflicht. „Auf dem Wohnungsgipfel mit dem Bundeskanzler am 25. September muss ein Bau-Paket vorgelegt werden, das alle Aspekte umfasst, mit denen der vollkommen zum Erliegen gekommene Wohnungsneubau wieder in die Spur gebracht werden kann“. Dazu gehören:

  • die massive Ausweitung des Zinsverbilligungsprogramms der KfW,
  • die vergünstigte Abgabe öffentlicher Grundstücke für den Mietwohnungsmarkt,
  • die Absenkung der Grunderwerbssteuer,
  • ein Sondervermögen zur Unterstützung öffentlicher Wohnungsgesellschaften,
  • eigenkapitalunterstützende Darlehen und
  • die Aussetzung des EH40-Standards bei öffentlichen Förderprogrammen.

Auch im Nichtwohnungsbau stünden die Ampeln auf Rot. Das Volumen der Neubaugenehmigungen (Baukosten) sei von Januar bis Juli real um mehr 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. „Langsam wird auch hier die Luft dünn. Den Bauunternehmen geht bald die Arbeit aus, während der Bedarf in allen Bereichen hoch ist. Eine schier paradoxe Situation“, so Müller.

Alle Angaben und Berechnungen beruhen auf Daten des Statistischen Bundesamtes.

Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.

BFW: Deutlicher Absturz – Zahl der Baugenehmigungen im freien Fall

Der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen zeigt sich alarmiert angesichts der aktuellen Baugenehmigungszahlen. Die Baugenehmigungen im Neubau bei Einfamilienhäusern sind von Januar bis Juli 2023 um 36,5 Prozent gefallen, um 53,2 Prozent bei Zweifamilienhäusern und um 27,5 Prozent bei Mehrfamilienhäusern. „Diese Zahlen zeigen zwei Dinge deutlich: Den hohen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen in dieser Lage decken zu können, ist eine Illusion. Und der Niedergang der Bauindustrie hat ein Ausmaß angenommen, das wir nur schwer werden einfangen können. Nur wenn Bundeskanzler Scholz das Ruder herumreißt, besteht die vage Hoffnung, das Schlimmste noch zu verhindern“ erklärte BFW-Präsident Dirk Salewski in Berlin.

„Bund, Länder und Kommunen müssen jetzt mit den Praktikern gemeinsam die Bauwende einleiten. Eine letzte Chance besteht, wenn sich die Fachleute am 25. September beim Kanzler treffen. Dies kann der Rettungsfallschirm sein, der den Absturz abfängt. Viele Probleme sind haugemacht und ließen sich lösen, wenn der Wille dazu bestünde. Viele der kleinteiligen regionalen Regelungen verhindern kostengünstiges Bauen. Ich habe allerdings wenig Hoffnung, weil alle Gelegenheiten umzusteuern bislang ungenutzt blieben. Schlimmer noch: Weiterhin gibt es Forderungen nach höheren Standards, die Bauen noch teurer machen. In Wolkenkuckucksheim werden die in Deutschland fehlenden 700.000 Wohnungen nicht gebaut. Wir brauchen realistische und pragmatische Lösungen“, so der BFW-Präsident.

„Es ist nicht wegzudiskutieren: Die abertausenden fehlenden Wohnungen und der negative wirtschaftliche Effekt auf unsere Volkswirtschaft durch Insolvenzen und Arbeitslosigkeit sind sozialer Sprengstoff. Vom Baggerfahrer bis zum Maler, von den Familien über die Rentner und die Auszubildenden und Studierenden – alle sind hiervon betroffen“, mahnte Dirk Salewski.

Quelle: BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen

„Einer der wesentlichen Indikatoren für die Baukonjunktur erreicht einen neuen Tiefpunkt. Im Juli verzeichnete das Statistische Bundesamt 31,5 Prozent weniger Baugenehmigungen als im Vorjahresmonat. 156.200 Wohnungen wurden von Januar bis Juli genehmigt, 27,8 Prozent weniger als 2022. Bei den Mehrfamilienhäusern waren es in diesem Zeitraum minus 27,5 Prozent, bei den Einfamilienhäusern minus 36,5 Prozent. Bei den Zweifamilienhäusern gingen die Genehmigungen gar um mehr als die Hälfte zurück (minus 53,2 Prozent).
Eine Woche vor dem Wohnungsbaugipfel belegen die Zahlen erneut, dass die Regierung handeln muss. In Zeiten größter Wohnungsnot ist die Nachfrage faktisch eingebrochen! Es ist keine Zeit mehr für Parteipolitik. Die Auftragsbücher laufen leer. Der Druck auf die Beschäftigung wird von Monat zu Monat stärker. Wir brauchen dringend einen Katalysator für den Wohnungsbau. Dazu gehört die Wohnungseigentumsförderung für den EH-55-Standard mit höheren Einkommensgrenzen. Es sind zu wenige Familien, die sich ein Haus mit den aktuellen Förderkonditionen (EH-40-Standard) leisten können. Entsprechend gering ist die Fördernachfrage. In der aktuellen Situation auf dem Wohnungsmarkt kann es bei der Wohneigentumsförderung für Familien nur heißen: Jedes gebaute EH-55-Standardhaus ist besser als kein EH-40-Haus! Auch zur Entlastung des Mietermarktes.“

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe

Quelle: Bundesvereinigung Bauwirtschaft

ZIA: „Routine-Modus kann nicht die Antwort sein auf eskalierende Wohnungsnot“

Die Immobilienwirtschaft zeigt sich schockiert über die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts zu den Baugenehmigungen. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Oliver Wittke, erklärt: „Alle Monate wieder gibt es diese bedrückenden Zahlen. Politischer Routine-Modus kann nicht die Antwort sein auf eskalierende Wohnungsnot. Es braucht jetzt den kollektiven Ruck, um den Wohnungsbau zu reanimieren – etwas anderes wird man der Öffentlichkeit kaum verkaufen können.“ Hintergrund: Im Juli diesen Jahres wurde der Bau von 21.000 Wohnungen genehmigt – das waren 31,5 Prozent (oder 9 600) Baugenehmigungen weniger als im Juli vorigen Jahres. Damit setzt sich der dramatische Rückgang weiter fort.

Die wachsende Wohnungsnot sei gerade wegen der steigenden Ankunft von immer mehr Flüchtlingen in Europa „ein Problem, das nach einer Antwort schreit“, so Wittke. Es brauche „den starken Schulterschluss der Entscheiderinnen und Entscheider in Bund, Ländern und Kommunen“.

Bauministerin Klara Geywitz brauche die Unterstützung der gesamten Bundesregierung und eben auch des Bundeskanzlers. „Neue steuerliche Möglichkeiten, wie sie die Bundesministerin mit der degressiven AfA angestoßen hat, müssen Trendsetter sein in einer Zeit, die am Wohnungsmarkt immer ernster wird.“ Der Staat müsse auf einen Teil der Kosten, für die er selbst Verantwortung trage, verzichten. Der ZIA taxiert den Anteil des Staates am Gut Wohnen auf etwa 37 Prozent.

Die wichtigsten ZIA-Forderungen:

  • Öffnung des § 246 Baugesetzbuch mit seinen Ausnahmeregeln auch für den Wohnungsbau
  • Ein großvolumiges „KfW-Kreditprogramm Wohnen“ mit einem Zinssatz von zwei Prozent für Neubauten ab Standard EH 55
  • Temporäres Aussetzen der Grunderwerbsteuer auch für Investor(inn)en

Quelle: Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA)

„Der Abwärtstrend bei den Baugenehmigungen setzt sich nicht nur weiter fort, sondern nimmt immer mehr Fahrt auf. Es wird nicht mehr gebaut, weil es unter den aktuellen Rahmenbedingungen schlicht nicht mehr geht. Die heutigen Zahlen zeigen es deutlich: Die Regierung muss endlich aufwachen und darf keine Zeit mehr verlieren. Sie muss ihre eigenen Ansprüche endlich mit den bestehenden Möglichkeiten in der Realität zusammenbringen. Sie hat diesen Zeitpunkt trotz aller dringlicher Mahnungen schon seit Jahren verpasst. In der aktuellen Krise brauchen die sozial orientierten Wohnungsunternehmen vor allem drei Dinge: Planungssicherheit, Vereinfachungen und Augenmaß. An allem hat es gefehlt und es fehlt immer noch. Dafür müssen neben dem Bund und den Ländern auch die Kommunen endlich alles unterlassen, was das Bauen immer weiter verteuert. Statt nur über bezahlbares Wohnen zu reden, müssen die Verantwortlichen alles unternehmen, um das Bauen wieder günstiger zu machen. Politische Sonntagsreden haben unsere Unternehmen definitiv satt.
Der Vorschlag einer degressiven AfA mag ja für einige Marktteilnehmer ein richtiger Schritt sein. Allerdings leistet er keinerlei Beitrag für das bezahlbare Wohnen. Viele Anbieter können eine degressive AfA infolge ihrer hohen Verlustvorträge aus intensiver Modernisierung und Neubau einfach nicht in Anspruch nehmen. Dazu zählen die vielen Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen. Daher muss eine degressive AfA ergänzt werden. Hier ist insbesondere eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent und eine Zinsverbilligung durch die KfW notwendig.
Die bisherigen zusätzlichen Fördermittel einiger Länder und des Bundes für den sozialen Wohnungsbau kompensieren lediglich die enormen Baukostensteigerungen, aber erzielen keine quantitativen Effekte.
Förderung ist in der Krise das einzig wirksame Mittel für eine soziale Abfederung der massiven Herausforderungen – sie muss für den sozial sensiblen Bereich des Wohnens verlässlich und auskömmlich sein.“

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW

Quelle: GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen