Berlin (pm) – Bauen in Deutschland soll einfacher, günstiger und schneller werden. Dazu soll das Bauvertragsrecht geändert werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Bundesregierung heute beschlossen. Durch die Änderung des Bauvertragsrechts soll es einfacher werden, von gesetzlich nicht zwingenden Standards abzuweichen. Insbesondere die Abweichung von reinen Komfortstandards soll einfacher werden. Fachleute schätzen, dass sich dadurch jedes Jahr über 8 Milliarden Euro Baukosten einsparen lassen. Das vorgeschlagene Gesetz trägt die Kurzbezeichnung Gebäudetyp-E-Gesetz. Mit der Wendung „Gebäudetyp E“ werden Bauprojekte bezeichnet, bei denen auf die Einhaltung von gesetzlich nicht zwingenden Standards verzichtet wird.
Hierzu erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
„Bauen in Deutschland ist zu teuer. Das ist ein wesentlicher Grund für den Wohnungsmangel. Die Kosten müssen also runter – insbesondere beim Neubau von Wohnungen. Das Gebäudetyp-E-Gesetz kommt deshalb genau zur richtigen Zeit. Wir werden damit einfaches und innovatives Bauen erleichtern. Konkret geht es um den freiwilligen Verzicht auf Komfortstandards. Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass jede existierende DIN-Norm eingehalten ist. Wer möchte, muss auf die Einhaltung von Komfortstandards verzichten können. Das geltende Bauvertragsrecht macht solche Vereinbarungen unnötig kompliziert. Wir wollen das Bauvertragsrecht deshalb anpassen – und so Bauen einfacher, unbürokratischer und günstiger machen. Das ist keine Kosmetik, sondern ein echter Schritt nach vorne. Fachleute schätzen das Einsparpotential auf mehr als 8 Milliarden Euro pro Jahr. Damit wird der Gebäudetyp E zum Bau-Booster. Klar ist auch: Es geht um Wahlfreiheit beim Wohnkomfort – nicht um Kompromisse bei der Sicherheit. Alle sollen sich den Wohnstandard aussuchen können, der zu ihren Wünschen passt – und zu ihrem Geldbeutel.“
Das Gebäudetyp-E-Gesetz (vollständiger Titel: Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus) wurde in engem Austausch mit Architektenschaft, Bauwirtschaft und weiteren Stakeholdern entwickelt. Der Gesetzentwurf wird flankiert von einer umfassenden „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“, die das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen erarbeitet hat. Sie soll den Vertragsparteien als Hilfsmittel dienen bei der Gestaltung von Verträgen für Neu- und Umbauten nach dem Gebäudetyp E.
Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende Änderungen im Bauvertragsrecht vor:
I. Einfachere Abweichung von reinen Komfort- und Ausstattungsstandards
Die Abweichung von gesetzlich nicht zwingenden Komfortstandards soll beim Bauen künftig einfacher möglich sein. Reine Komfort- und Ausstattungsstandards wie etwa DIN-Normen betreffend die Anzahl von Steckdosen in Wohnzimmern sollen bei Bauprojekten künftig nur dann vertraglich eingehalten werden müssen, wenn beide Vertragsparteien sich ausdrücklich darauf verständigt haben. Ohne eine ausdrückliche Vereinbarung soll die Einhaltung von reinen Komfortstandards nicht geschuldet sein. Im Verhältnis zwischen Bauunternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern sollen allerdings besondere Hinweispflichten gelten: Bauunternehmen sollen Verbraucherinnen und Verbraucher darauf hinweisen müssen, in welchen „Baubereichen“ (z.B. Schallschutz; Elektrotechnik) von technischen Normen und Regeln abgewichen wird, die reine Komfort- und Ausstattungsstandards betreffen.
Gegenüber dem geltenden Bauvertragsrecht wäre die vorgeschlagene Neuregelung eine erhebliche Vereinfachung. Das geltende Bauvertragsrecht hat zur Folge, dass reine Komfort- und Ausstattungsstandards unter Umständen auch dann eingehalten werden müssen, wenn dies gar nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
II. Einfachere Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen und Baustoffen
Beim Bauen soll es künftig einfacher werden, innovative, nachhaltige oder kostengünstige Bauweisen und Baustoffe zu verwenden. Zu diesem Zweck soll die Bundesregierung ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung technische Normen und Regeln zu bestimmen, die die Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen oder Baustoffen erheblich erschweren. Von solchen Normen sollen Bauunternehmen künftig einfacher abweichen können: Sie sollen ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht Vertragsinhalt werden. Ihre Einhaltung soll nur geschuldet werden, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen allerdings vom Bauunternehmer darauf hingewiesen werden, in welchen „Baubereichen“ (z.B. Schallschutz; Elektrotechnik) von den entsprechenden Normen abgewichen werden soll.
III. Einfachere Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“
Fachkundige Unternehmer sollen künftig einfacher von den „anerkannten Regeln der Technik“ abweichen können, wenn sie miteinander Verträge über den Neu- oder Umbau eines Gebäudes oder einer Außenanlage schließen. Wollen die beiden Unternehmer von den „anerkannten Regeln der Technik“ abweichen, so soll diese Abweichung künftig nicht mehr voraussetzen, dass der Bauunternehmer den Besteller des Bauwerks über Risiken und Konsequenzen der Abweichung aufklärt. Haben die Unternehmer keine Vereinbarung zu einem Abweichen von den „anerkannten Regeln der Technik“ getroffen, soll eine Abweichung davon künftig unter gewissen Voraussetzungen dennoch keinen Mangel des Bauwerks begründen. Kein Mangel soll künftig vorliegen, wenn (1) die Abweichung dem Besteller vor Ausführung der Bauleistung angezeigt wird, (2) der Besteller nicht unverzüglich widersprochen hat und (3) die dauerhafte Sicherheit und Eignung des Gebäudes gewährleistet ist.
Der Regierungsentwurf zum Gebäudetyp-E-Gesetz und ein begleitendes FAQ sind hier abrufbar.
Den Link zur „Einfach Bauen – Gebäudetyp E – Leitlinie und Prozessempfehlung“ finden Sie hier.
Quelle: Bundesministerium der Justiz
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Stärkung Gebäudetyp E: Leitlinien finalisiert und Vertragsrecht im BGB erleichtert
Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf für das „Gebäudetyp-E-Gesetz“ beschlossen. Ergänzend dazu hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen die finalen Leitlinien und Prozessempfehlungen vorgelegt, die das einfache Bauen in die Praxis bringen. Den Link zur „Einfach Bauen – Gebäudetyp E – Leitlinie und Prozessempfehlung“ finden Sie hier.
Dazu Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: „Gebäudetyp E steht nicht nur für einfach und experimentell, sondern auch für entbürokratisiert. Gemeinsam mit der durch mein Haus und unseren Partnern erarbeiteten Leitlinie stellt die Vertragsrechtsänderung durch das BMJ einen wichtigen Schritt für einfacheres, kostengünstiges und innovatives Bauen dar. Die BGB-Anpassung ermöglicht es, beim Gebäudetyp E rechtssicher vom Baustandard abzuweichen. Das ist eine große Erleichterung für Architekten, Planer, Bauträger und Bauherren.
Parallel dazu haben wir die gemeinsame Leitlinie ‚Einfach bauen‘ finalisiert. Das Praxisdokument ist in Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Bündnis bezahlbarer Wohnraum entstanden und bildet durch seine Beispiele und Prozessempfehlungen das Fundament für die Zusammenarbeit beim Gebäudetyp E.
Unser Ziel ist, auch in Zukunft qualitätsvoll zu bauen und dabei gleichzeitig schneller und günstiger zu werden, denn der Wohnraumbedarf bleibt hoch. Mit dem Gebäudetyp E überlassen wir kostenintensive, komfortbezogene Entscheidungen darüber, wie künftig gewohnt werden soll, den Vertragsparteien. Das schafft mehr Freiraum, Bauherren finanziell zu entlasten. Ob ich dann 47 Steckdosen in meiner Dreizimmerwohnung brauche oder nur 30, kann ich in direkter Abstimmung und Abwägung mit meinem Planer entscheiden. Die Gebäudesicherheit, z. B. die Statik oder der Brandschutz, bleibt davon unberührt.“
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass
bestimmte technische Normen und Regeln, wie zum Beispiel solche, die ausschließlich Komfort- oder Ausstattungsmerkmale betreffen, ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht Gegenstand der Leistungspflicht sind,
eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Sachmangel anzusehen ist.
Quelle: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
BAK: Bundeskabinett verabschiedet Entwurf eines Gebäudetyp E Gesetzes
In seiner Sitzung am 6.11. hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus, kurz Gebäudetyp-E-Gesetz, verabschiedet. Das Konzept eines Gebäudetyp E wurde 2022 durch die Architektenkammern unterstützt durch die Ingenieurkammern initiiert. Der nunmehr vorgelegte Gesetzentwurf wird flankiert von einer „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“, die das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen erarbeitet hat. Sie soll den Vertragsparteien als Hilfsmittel dienen bei der Gestaltung von Verträgen für Neu- und Umbauten nach dem Gebäudetyp E.
Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende Änderungen im Bauvertragsrecht vor:
- Einfachere Abweichung von reinen Komfort- und Ausstattungsstandards
- Einfachere Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen und Baustoffen
- Einfachere Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“
Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer:
„Im Gesetzentwurf wurde den Hauptanliegen der Vereinfachung, Beschleunigung und Ressourcenschonung Rechnung getragen. Mit dem vorliegenden Entwurf ist ein weiterer Meilenstein erreicht, einfaches Planen und Bauen auch zivilrechtlich zu flankieren. Grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen ist, nach erster Einschätzung, die Herausnahme der noch im Referentenentwurf enthaltenen Vermutungsregelungen zugunsten einer insoweit klaren gesetzlichen Aussage. Architektinnen und Architekten erhalten nun mehr Freiheit, gemeinsam mit Ihren Auftraggebern innovativere, nachhaltige und kostengünstige Projekte umzusetzen.“
Im für das Gesetz zentralen und neuen § 650a Abs. 3 Satz 1 BGB in der Fassung des Regierungsentwurfs ist jetzt vorgesehen:
- Normen und Regeln, die Ausstattungs- und Komfortstandards betreffen, sind ohne ausdrückliche Vereinbarung vertraglich nicht geschuldet (Satz 1 Nr. 1).
- Neu ist, dass die Bundesregierung ermächtigt wird, in einer Rechtsverordnung ausdrücklich solche Normen und Regeln zu benennen, die ebenfalls nicht Gegenstand der vertraglichen Leistungspflicht sind. Nach einem neuen Absatz 4 können dies solche Normen und Regeln sein, die die Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen oder Baustoffen erheblich erschweren.
Den Verbraucherinteressen wird durch den neuen § 650a Abs. 3 Satz 2 BGB entgegengekommen. Danach besteht diesen gegenüber eine Hinweispflicht vor Vertragsschluss, in welchen Bereichen ohne ausdrückliche Vereinbarung von den vorgenannten Normen und Regeln abgewichen werden soll. Die Begründung enthält auf Seite 26 hierzu nähere Ausführungen.
Quelle: Bundesarchitektenkammer
Immobilienwirtschaft: Gesetz für neuen Gebäudetyp E wird dem Ziel, einfaches und schnelles Bauen anzustoßen, kaum gerecht
Die Immobilienwirtschaft findet es wichtig, dass die Bundesregierung mit dem heutigen Kabinettsbeschluss für den Gebäudetyp E einfaches, schnelles und kostengünstiges Bauen erleichtern will. „Es ist ein erfreuliches Signal, dass die Bundesregierung sich für dieses so wichtige Ziel zusammenrauft“, sagt ZIA-Präsidentin Iris Schöberl. „Leider aber wird das Gesetz, das das Kabinett jetzt auf den Weg gebracht hat, diesem selbst gesteckten Ziel am Ende kaum gerecht.“ Es sei vielmehr „sogar zu befürchten, dass einige Prozesse in Zukunft noch komplizierter werden“, kritisiert Schöberl.
Der ZIA sieht vor allem das Problem mangelnder Klarheit:
- Der Gesetzentwurf sieht vor, einen neuen Vertragstyp zu schaffen, den Gebäudebauvertrag. Dieser soll für, wie es heißt, „fachkundige Unternehmen“ gelten. Es ist nicht geklärt, welcher Kreis überhaupt gemeint ist.
- Es wird unterschieden zwischen „Ausstattungs“- und „Komfortstandards“ – auch hier ohne klar zu definieren, was hinter den Begriffen steht. Diese Klärung steht aus.
Der ZIA fordert, mit den Vorgaben für Planungs- und Bauverträge mutig voranzugehen und diese grundsätzlich vom Einhalten aller einschlägigen technischen Regelwerke zu befreien – außer selbstverständlich, wenn sie sicherheitsrelevant sind. „Es ist verfehlt, den Regelungsdschungel aus gesetzlicher Regelung, DIN-Normen oder VDI-Richtlinien in seiner Komplexität noch zu erhöhen“, sagt Schöberl.
Quelle: Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA)
Gebäudetyp E: Schritt in die richtige Richtung – Praktische Umsetzung muss folgen
Heute hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E beschlossen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe, begrüßt die Entscheidung, mahnt aber juristische Anpassungen an, damit das Modell in der Praxis angenommen wird.
„Das sind gute Nachrichten. Wir müssen wieder mehr und einfacher bauen. Der Gebäudetyp E hat das Potential, auf nicht notwendige Standards zu verzichten und das Bauen für unsere Unternehmen zu vereinfachen. Gerade in den aktuellen Zeiten war es ein wichtiges Signal, dass Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundesjustizminister Marco Buschmann einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorlegten.
Damit das Bauen aber einfacher wird, müssen im nächsten Schritt die Länder in ihren 16 Landesbauordnungen oder der Bund technisch festlegen, wie jene Mindeststandards aussehen sollen, von denen nicht abgewichen werden kann. Durch so eine technische Unterfütterung kann der Gebäudetyp E rechtssicher in der Praxis umgesetzt werden.“
Quelle: Zentralverband Deutsches Baugewerbe
Bauwirtschaft: Gebäudetyp-E-Gesetz verfehlt das angestrebte Ziel
Anlässlich des heutigen Kabinettsbeschlusses zum Gebäudetyp-E-Gesetz zeigt sich die Bauwirtschaft Baden-Württemberg enttäuscht über die erreichten Ergebnisse. „Unser Fazit zur Neuregelung lautet: Gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht. Grundsätzlich begrüßen wir die Absicht der Bundesregierung, das Bauen zu erleichtern. Doch das neue Gesetz verfehlt das erklärte Ziel bei weitem. Aus unserer Sicht macht die Novelle das Bauen noch komplizierter und schafft zusätzliche Rechtsunsicherheit“, erklärt Hauptgeschäftsführer Thomas Möller.
Stein des Anstoßes ist unter anderem die Einschränkung, dass das Gebäudetyp-E-Gesetz nur für Verträge zwischen fachkundigen Unternehmern gelten soll. „Damit ist nichts gewonnen. Denn jede Wohnung wird letztlich an einen Verbraucher verkauft oder vermietet. Spätestens der Unternehmer in der Leistungskette, der einen Vertrag mit einem Verbraucher abschließt, steht vor der gleichen Situation wie bisher“, kritisiert Möller. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass der Gesetzestext aufgrund fehlender eindeutiger Begriffsdefinitionen und neuer unbestimmter Rechtsbegriffe zu Auslegungs- und Abgrenzungsproblemen und damit zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen werde.
Vor diesem Hintergrund fordert die Bauwirtschaft deutliche Nachbesserungen am Gesetz. „Die Neuregelung muss klarer und wesentlich praxisnäher gestaltet werden, um den Bauunternehmen mehr Rechtssicherheit zu geben. Nur mit praktikablen Regelungen wird es gelingen, den Wohnungsbau wirklich anzukurbeln“, so der eindringliche Appell von Thomas Möller.
Quelle: Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V.