8. Mai 2024

Avison Young: Klimarisiken verändern Standortentscheidungen

Frankfurt am Main (pm) – Es ist wieder so weit: Das Niedrigwasser auf deutschen Flüssen reduzierte bereits Mitte Juni die Schiffbarkeit. Transporte werden aufwändiger und teurer – das könnte nicht zuletzt den Rückgang der Inflation verlangsamen. Auch kann die konjunkturelle Erholung gebremst werden.

Im laufenden Jahr sind diese Auswirkungen noch nicht deutlich spürbar. Im vergangenen Jahr aber war das Transportaufkommen auf deutschen Binnenwasserstraßen das niedrigste seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990. Eine Ursache war dabei das Niedrigwasser im August. Allein von Mitte bis Ende Juni des laufenden Jahres hat sich der Dürrezustand in Deutschland abermals deutlich verschärft, und die Pegelstände des Rheins lagen zum Teil bereits niedriger als in den Dürrejahren 2018 und 2022.

Auch wenn derzeit noch weitere bedeutende, beispielsweise geopolitische Ereignisse die Wirtschaft und Gesellschaft in Atem halten – die Folgen des Klimawandels werden dadurch nicht weniger. Im Gegenteil: Dessen Auswirkungen beispielsweise auf die Transportbranche und Immobilienwirtschaft nehmen weiter zu. Im Übrigen sind Teile der deutschen Verkehrsinfrastruktur sowie viele Immobilien nicht auf klimatische Veränderungen ausgelegt. Hier werden Anpassungen in großem Ausmaß erfolgen müssen.

Mehr als drei Viertel der deutschen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und fast 90 Prozent der Großunternehmen erwarten1), dass sich die Auswirkungen des Klimawandels (beispielsweise Extremwetterereignisse) und der Umbau zu nachhaltigerem Wirtschaften auf die eigene Geschäftstätigkeit auswirken werden. Zu den Reaktionen deutscher Firmen auf die Zunahme an Klimarisiken zählen unter anderem folgende Schritte: Standortverlagerung, erhöhte Lagerhaltung und bauliche Maßnahmen.

Die zum Teil deutlichen prozentualen Unterschiede bei den Anpassungsmaßnahmen lassen sich wahrscheinlich insbesondere darauf zurückführen, dass sie von KMUs weniger einfach zu realisieren sind als von Großunternehmen. Allerdings bieten die notwendigen Reaktionen, sowohl auf Unternehmens- als auch gesamtwirtschaftlicher Ebene, auch Chancen: Der Weg zur Erreichung der Klimaziele eröffnet neue Geschäftsmodelle, etwa bei der operativen und baulichen Anpassung bestehender sowie der zukunftsfähigen Entwicklung neuer Strukturen. Zudem auf dem Gebiet der Energieversorgung und -nutzung, oder im Bereich nachhaltiger Beschaffungs-, und Produktionsverfahren, wo wiederum die Kreislaufwirtschaft eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Allein der Wunsch nach Schutz vor Klimarisiken ebnet den Weg für weitreichende Initiativen: Knapp die Hälfte2) der deutschen Firmen fühlt sich noch nicht ausreichend gegen ein Klimarisiko (u.a. Hitze, Niederschlag, Dürre) geschützt.

Was hat das Ganze mit der Immobilienwirtschaft zu tun?

  • Klimaveränderungen werden längst verstärkt in unternehmerische Standortentscheidungen einbezogen – das gilt für die Industrie ebenso wie für den Handel oder Dienstleister sowie Büronutzer. Hitze- und Dürreperioden gefährden eine reibungslose Produktion. Zudem hängen Industrie und Gewerbe von einem reibungslosen Warenverkehr und der Versorgung mit Rohstoffen und Zwischenprodukten ab. Deutschland ist dabei auch von Ländern abhängig, die stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sein können.
  • Auch Immobilieninvestoren berücksichtigen Klimarisiken schon längst in ihren Investmentstrategien.
  • Der Klimawandel führt immer häufiger zu Extremwetterlagen. Dadurch können auch an Industrie-, Produktions-, und Logistikimmobilien Schäden entstehen, mit Produktions- und Lieferausfälle in der Folge.
  • Bürogebäude, die mit Hilfe begrünter Dächer und Fassaden im Sommer deutlich zur Senkung der Temperaturen beitragen, tragen zu einem angenehmeren Mikroklima bei und wirken sich positiv auf das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Zudem brauchen sie weniger Klimaanlagen, haben niedrigere Emissionen, und verursachen niedrigere Energiekosten – ein echtes Standort-Argument für Nutzer, aktuell und perspektivisch.
  • Immobilien, wie etwa Rechenzentren, werden von Kunden und Investoren zukünftig bevorzugt nachgefragt werden. Denn bislang brauchten sie „Unmengen“ an Strom und produzierten gleichzeitig große Emissionen, werden aber demnächst CO2-neutral betrieben werden und sich gleichzeitig unabhängig von externer Energie machen können. Da eine zuverlässige Stromversorgung eines der wichtigsten Standortanforderungen von Rechenzentren darstellt, macht eine autarke Stromversorgung diese Immobilien diesbezüglich autonomer in ihrer Standortwahl.
  • Wurden in einem Produktionsprozess bislang Güter oder Vorprodukte mittels bestandsloser Beschaffungslogistik zeitkritisch zugeliefert, etwa um die eigene Kapitalbindung zu reduzieren, wird bei einer Umstellung auf Pufferbestände – um Lieferschwankungen ausgleichen zu können – künftig mehr Lagerfläche, also auch entsprechende Immobilien, benötigt. Dadurch ändern sich Logistikabläufe und Standortanforderungen der Unternehmen ebenso, wie beispielsweise durch den heimischen Aufbau von Batterie- und Zellkompetenz in der deutschen Automobilindustrie im Wege eines deutlichen Ausbaus von Forschung und Entwicklung hierzulande; bislang haben die deutschen Automobilhersteller diese für E-Autos essenziellen Komponenten primär von anderen Kontinenten zugekauft. Unabhängig von diesem Trend in der deutschen Automobilindustrie und aufgrund der Energiekrise stellen Logistiker verstärkt ihre Lkw-Flotten auf E-Mobilität um, wie beispielsweise Aldi Nord. Zudem ist zu beobachten, dass sich Unternehmen weg von den klassischen Logistikstandorten in den Metropolregionen verstärkt auf neue Standorte fokussieren, die mehr Flächenverfügbarkeit sowie Potenziale, beispielsweise bei der Verkehrsinfrastruktur, bieten. Ein Beispiel dafür ist das neue Logistikzentrum bei Neu Wulmstorf, das perspektiv angemietet wird, da es größere Flächen bietet und an der auszubauenden A 26 liegt. Außerhalb der Metropolregionen existieren noch mehr Brownfields, die den veränderten Anforderungen der Logistiker an mehr Fläche gerecht werden. Wie in anderen Assetklassen auch, erfolgt derzeit in der Logistikindustrie ein Anpassungsprozess an die langfristigen Klimaziele der Bundesrepublik zum Senken der CO-2-Bilanz, beispielsweise durch den Umstieg auf E-Mobilität, das Begrünen der Immobilien oder den Einsatz von Photovoltaikanlagen.

1) Statistisches Bundesamt, 2023

2) Institut für Mittelstandsforschung, 2023

Pressemitteilung: Avison Young