17. Dezember 2025

LRO : Bertha-Benz-Schule Sigmaringen

© Roland Halbe

Stuttgart (pm) – In herrlicher Lage am nördlichen Ortsrand von Sigmaringen bietet das neue Schulzentrum mit mehreren beruflichen Schularten Raum für mehr als 1.300 Schüler.

Am Schnittpunkt zweier wichtiger Erschließungsstraßen besetzt der Neubau eine prominente Stelle in direkter Nachbarschaft zum Kreiskrankenhaus; nach Norden schließen Felder und Waldstücke an, hangabwärts die Stadt, zunächst mit einem weitläufigen Sportgelände und dann mit verschiedenen weiteren Schulen und Wohnbauten.

Die Großform der Klinik auf der benachbarten Anhöhe verlangt nach einer markanten Form mit starker Präsenz. Ein Kreis kann dies leisten, zusammen mit einem langen Gebäuderiegel als Halt gebendem Rücken, der das Ensemble trotz der enormen Dimensionen wie selbstverständlich auf dem dreieckig geschnittenen Grundstück und in der Topografie des leichten Hangs verankert.

Die Kreisform lässt ein von allen öffentlichen Seiten her klar erkennbares Zentrum entstehen. Es bietet Orientierung und ermöglicht die intuitive Wegeführung. Der ringförmige Baukörper hält den Straßenschall weitgehend fern, durchbrochen allein von drei Durchgängen im Erdgeschoss, welche die wichtigsten Richtungen erschließen. 

Die Kreismitte bildet einen Campus, der aus allen Richtungen zentral erreichbar ist. Er dient als Vorplatz der Aula, als Veranstaltungshof und Festplatz, als Treffpunkt mit Freitreppe und Blick auf Sigmaringen – kurz: als attraktiver, angenehm proportionierter Innenhof, der zum Verweilen und Kommunizieren einlädt.

An dieses „Herz“ des Ensembles direkt angegliedert finden sich im großzügig verglasten Erdgeschoss die Mensa und am Haupteingang der Musik- und Rhythmikraum. Dieser lässt sich durch das Öffnen der Trennwände und der Fassade zu einer Bühne umwandeln – mit dem Hof als Auditorium.

Raumstruktur

Der Ring beinhaltet die allgemeinen Unterrichtsräume mit den zugehörigen Informationsbereichen, Aufenthalts- und Verwaltungsräumen.

In dem parallel zu den Höhenlinien verlaufenden Gebäuderiegel sind u.a. die Fachbereiche mit ihren Werkstätten untergebracht. Begrünte Lichthöfe sorgen dort für natürliche 

Belichtung und angenehme Ausblicke von den innenliegenden Räumen aus. Die Werkstätten weisen aufgrund ihrer räumlichen Anforderungen und Funktionszusammenhänge eine große Raumtiefe auf und erhalten deshalb zusätzliches Tageslicht über Dachoberlichter und Oberlichtbänder im Bereich des hohen Werkstatttrakts.

Im Norden schließen der Werkhof und nahe der Bushaltestelle das Parkhaus mit seiner Fassadenbegrünung an. Das Zentrum des Neubaus lässt sich ohne Überschneidungen der jeweiligen Bewegungs- und Verkehrsströme (Fuß, Rad, Bus, Kfz) erreichen. 

Die Anlage bietet Erweiterungsmöglichkeiten je nach Bedarf und gewünschtem Umfang sowohl im Riegelbau als auch im Ring.

Am Schnittpunkt beider Bauteile liegen zentrale Funktionen, etwa die großzügige Haupttreppe, welche die beiden Eingänge von Süden und von Norden her miteinander verbindet, die Aula und ein Sanitärbereich.

Beide Baukörper zeigen sich in helle naturfarbene Holzfassaden mit einzelnen weißen Akzenten gekleidet. Öffnungen gibt es nur dort, wo sie sinnvoll und erforderlich sind. Die Holzfenster sind zum Kreisinnern hin durch Vordächer und nach außen hin durch ausgeklappte Fassadenbereiche konstruktiv geschützt. Weiß-blau- gestreifte Sonnenschutzmarkisen unterstreichen die Leichtigkeit und Heiterkeit des Ensembles.

Lernorte und Flexibilität

Durch die Setzung des Gebäudes ergeben sich unterschiedliche Freibereiche, mit jeweils eigenen Qualitäten und Nutzungen im Grünen. Es wurden bereits und werden auch weiterhin noch Obstbäume gepflanzt – insgesamt weit über hundert, die einen erheblichen Beitrag zum Biotopschutz zu leisten. Sie ermöglichen Sinneserfahrungen und schaffen einen unkomplizierten Zugang zu den Zusammenhängen zwischen Landschaft, Landwirtschaft und Ökologie.

Freies Lernen kann auch im Innenhof erfolgen oder in den Lernzonen, die sich in Form von Flur-Aufweitungen überall im Gebäude wiederfinden – vor allem im Ring, wo die kreisförmige Erschließung nicht zu den „notwendigen Fluren“ zählt, sodass Lernzonen und Möblierungen, Arbeits-, Aufenthalts- und Kommunikationsflächen auf dem Gang bzw. als Aufweitung der Erschließungsfläche möglich sind.

Zu den vielfältigen Orten der Bildungsvermittlung zählen die Werkstätten und Schülerarbeitsräume mit Sichtverbindungen in die nebenliegenden Unterrichtsräume. 

Im Werkstatt-Trakt lassen sich in den unterschiedlichen Fachbereichen jeweils über eine „Mitte“ mehrere Unterrichtsräume gleichzeitig beaufsichtigen; eine optimale Aufsichtsmöglichkeit ist jederzeit gewährleistet. Mehrere Stützpunkte sind über die allgemeinen Bereiche und die Fachbereiche verteilt, so dass Lehrer flächendeckend Möglichkeiten zur Vorbereitung haben und das ganze Gebäude gut beaufsichtigt werden kann.

Die Mensa und ein Teil der Aufenthaltsbereiche gehen ineinander über, so können diese Flächen je nach Bedarf wechselseitig genutzt werden, und so lässt sich über weite Abschnitte des Tages Leerstand von Räumen vermeiden.

Für Prüfungssituationen stehen im 2. OG drei größere Konferenzräume und drei kleinere Besprechungsräume zur Verfügung, die sich zu einem großen Prüfungsbereich zusammenschalten lassen; der weitere Unterricht wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Durch die Stahlbetonskelettbauweise lassen sich die in Trockenbauweise erstellten Raumtrennwände bei Bedarf zur Anpassung an veränderte pädagogische Anforderungen flexibel versetzen.

Effizient und nachhaltig

Der flächeneffiziente Entwurf setzt das Raumprogramm wirtschaftlich um. Wenig Freifläche wurde versiegelt; statt weitläufiger ebenerdiger Stellplätze konzentriert ein Parkdeck das unvermeidliche Fahrzeugaufkommen auf geringer Fläche. 

Auf den Dachflächen von Schule und Parkhaus finden sich extensive Begrünung und Photovoltaikanlagen. Massive Betonelemente im Innern dienen als Speichermasse, reduzieren starke Temperaturschwankungen und verlangsamen das Aufheizen im Sommer.

Als Materialien kommen natürliche, dauerhafte und reparaturfähige Baustoffe mit angenehmer Haptik zum Einsatz – etwa Sitzbänke, Parkettböden, Fensterbänke und Türen aus Holz. Sie kontrastieren auf angenehme Weise mit Sichtbetonwänden und Linoleum-Böden.

Das Gebäude ist im Wesentlichen gemäß der DIN 18040 geplant, u.a. sind alle Ebenen per Aufzug erreichbar. Es wurde ein umfassendes Barrierefreiheitskonzept erstellt, zu dem neben großzügigen Bewegungsflächen etwa auch eine induktive Höranlage am Infotresen, die taktile Beschilderung und weitere taktile Leitelemente im Außenbereich gehören.

Durch die Gebäudeform und die modulare Bauweise mit Betonfertigteilen ließ sich der Neubau sehr ökonomisch errichten und kann ebenso ökonomisch betrieben werden. Diese Aufgabe übernimmt die Reisch Gebäudemanagement GmbH & Co. KG, Bad Saulgau, für die kommenden 25 Jahre.

Die kompakte Bauweise, der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und die flexible Grundrissorganisation sorgen für langfristige Nutzungsflexibilität und garantieren ein dauerhaft nachhaltiges Gebäude.

Das Gesamtprojekt erfüllt die Kriterien für eine Platin-Zertifizierung der DGNB und der BEG 40 QNG. Es gilt als Meilenstein für die berufliche Bildung im Landkreis Sigmaringen.

ÖPP

Helmut Göppel-Wentz, Leiter des Fachbereichs Liegenschaften und Technik im Landratsamt Sigmaringen erläutert: „Mit der Realisierung der Bertha-Benz-Schule im Rahmen eines ÖPP-Projektes (öffentlich-private Partnerschaft) hat der Landkreis einen zwar nicht neuen, aber in Baden-Württemberg in Vergessenheit geratenen Weg beschritten“. Im ÖPP-Ansatz ist ein gesamtheitliches und nachhaltiges Denken von der Planung über Bau und Betrieb bis hin zur Berücksichtigung von Umbau- und Erweiterungsmöglichkeiten im Lebenszyklus einer Immobilie verankert. Durch vertragliche Vereinbarungen und festgelegte Energieverbrauchswerte in der Nutzungsphase besteht eine weit­gehende ­Planungs- und Kostensicherheit.

Die Georg Reisch GmbH & Co. KG übernahm nicht nur Planungs- und Bauleistungen, sie wird das Schulgebäude und die Außenanlagen auch über einen Zeitraum von 25 Jahren technisch betreiben. Grundstück und Gebäude verbleiben dabei im Eigentum des Landkreises.

Quelle: LRO GmbH & Co. KG, Stuttgart