20. November 2025

Der Bau-Turbo allein reicht nicht – Deutschland braucht einen Innovationsschub auf der Baustelle

Berlin (pm) – Mehr Geld, weniger Gesetze, schnellere Genehmigungen – sie schaffen Rahmenbedingungen, aber noch keinen Wohnraum. Die entscheidende Stellschraube liegt in der Umsetzung: Der Bau-Turbo wirkt nur mit Innovation – Tempo braucht Technik.

Eine zentrale Erkenntnis des Wohnkongresses „Stadt. Land. Wohnraum?“ der Konrad-Adenauer-Stiftung im Berliner silent green Kulturquartier, an dem Neues Bauen – 80 Sekunden als Partner beteiligt war, lautet: Nur wenn Innovation konsequent in Planung, Produktion und Praxis ankommt, wird aus politischem Anspruch gebaute Wirklichkeit.

„Förderungen und Verwaltungserleichterungen sind wichtig, aber sie allein schaffen keine Bauwende“, betont Robert Kroth, Geschäftsführer von Neues Bauen – 80 Sekunden. „Im Gegenteil: Sie drohen zu verpuffen, wenn wir weiter bauen wie vor fünfzig Jahren. Wir brauchen nicht nur den Bau-Turbo, wir brauchen auch einen Innovations-Turbo auf den Baustellen.“

Planung neu denken – digitale Grundlagen für den Wandel

Wie eng Digitalisierung, Datenmanagement und Baupraxis heute miteinander verflochten sind, zeigen neue datenbasierte Ansätze in der Stadt- und Projektentwicklung.

Exemplarisch verdeutlichten Madaster und Syte, wie sich der Wandel von der Planung her beschleunigen lässt: Madaster nutzt ein digitales Materialkataster, das Gebäude als Rohstoffspeicher begreift und den Wert zirkulärer Bauweisen sichtbar macht. Syte wiederum verknüpft Kataster-, Energie- und Bebauungsdaten auf einer KI-gestützten Plattform, die Potenziale, Restriktionen und Genehmigungsoptionen in Echtzeit abbildet – von der ersten Idee bis zum prüffähigen Bauantrag.
Damit entsteht eine neue Logik des Bauens: datenbasiert, transparent und beschleunigt. Nach Berechnungen von Syte ließen sich auf diese Weise bis zu 2,7 Millionen bestehende Wohnungen sanierungs- oder nachverdichtungsfähig aktivieren und rund 50 Millionen Tonnen CO₂ einsparen – allein durch präzisere Entscheidungen und digitale Kohärenz.

Innovationen für die Bauwende

Fortschritt im Bauwesen erwächst nicht allein aus der Digitalisierung, sondern aus dem Zusammenwirken von Material, System und Prozess.
Innovation entsteht dort, wo technologische Entwicklung, serielle Fertigung und planerische Kultur sich gegenseitig befruchten – wo das Bauen als integrierter, gestaltbarer Prozess verstanden wird, der neue Denkweisen ebenso verlangt wie neue Verfahren des Herstellens.

Dietmar Rekow von GOLDBECK demonstrierte, wie präzise Vorfertigung, digitale Prozesssteuerung und modulare Systeme Geschwindigkeit und Qualität vereinen – bei Baukosten von rund 2.000 Euro pro Quadratmeter und dem Ziel CO₂-neutraler Betonfertigteile bis in die 2030er-Jahre.
Diese Effizienz überträgt Mitsubishi Electric auf den Gebäudebestand: Dezentrale Luft-/Luft-Wärmepumpen liefern aus 1 kWh Strom bis zu 5 kWh Heizleistung, ersetzen Nachtspeicher- und Gasheizungen mit geringstem Umrüstungsaufwand und machen die Energiewende im Bestand unmittelbar skalierbar. Dass Innovation auch im Material beginnt, zeigt Stramen.tec: Vorgefertigte Stroh-Module speichern 53 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter Wandfläche, sind vollständig recyclingfähig und werden im System StroHab+ in weniger als acht Wochen montiert – Gebäude arbeiten über ihren Lebenszyklus CO₂-positiv und sparen rund 21 Tonnen CO₂ jährlich. Auch Heidelberg Materials treibt den Wandel in der Baustoffindustrie voran: Mit CO₂-armen Bindemitteln und Carbon-Capture-Technologien sollen die spezifischen Emissionen bis 2030 auf rund 400 Kilogramm CO₂ pro Tonne Zement sinken. Damit wird der CO₂-Sünder Beton zu einem ökologisch relevanten Baustoff.

Im Anschluss sprach Prof. Dr. Birgit Guhse, Geschäftsführerin von Arcadis Deutschland, über die strukturellen Voraussetzungen einer zukunftsfähigen Bauwende:

„Wenn wir Innovation wirklich auf die Baustelle bringen wollen, brauchen wir nicht nur die Kreativität und die Technik – sondern vor allem den Mut, alte Muster zu durchbrechen, gemeinsam zu lernen und unser Wissen zu teilen. Denn nur wenn alle Beteiligten vernetzt denken und handeln, entsteht das Fundament für eine nachhaltige und zukunftsfähige Bauwirtschaft.“

Wege in die Praxis

Der Wohnkongress machte deutlich, dass die Bauwende weniger an Ideen als an ihrer Umsetzung scheitert. Es gibt bereits viele Innovationen, entscheidend ist, wie schnell sie in die Breite getragen werden. Nur wenn digitale, serielle und materialeffiziente Ansätze zugleich gedacht und angewendet werden, kann der Wandel gelingen – praktisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich.

„Innovation darf kein Zukunftsversprechen mehr sein, sie muss Gegenwart werden – auf jeder Baustelle, in jeder Kommune“, so Kroth. „Erst wenn Technologie und Gestaltungswille zusammenfinden, entsteht wirklicher Fortschritt.“

Quelle: digitalis365 GmbH