12. Oktober 2025

Terms and Conditions: Ein besonderes Projekt für die Biennale Architettura 2025

© Roland Halbe

Tübingen (pm) – In den klimatisierten Innenräumen von Gebäuden auf der ganzen Welt geraten die wahren Kosten für den Komfort in Vergessenheit und damit auch das Nachdenken über die Gefährdung unserer Welt. Das Drehen am Thermostat hat weitreichende Auswirkungen auf das Klimasystem und unsere Zukunft. Was haben wir da unterschrieben? Und haben wir das Kleingedruckte gelesen? Draußen surren und tropfen die Klimaanlagen und leiten die Wärme aus thermisch isolierten, luftdicht abgeschlossenen Innenräumen ab. Die Anlagen ziehen pausenlos Strom aus Netzen, deren Energie noch zu häufig aus fossilen Brennstoffen stammt. Diese Art zu Kühlen basiert auf einer weltweiten Infrastruktur, auf einer Art zu bauen und zu leben, die mit ihren Verbrennungsprozessen und Emissionen die Atmosphäre belastet und den CO2-Anteil immer weiter steigen lässt, was den globalen Anstieg von Temperatur und Feuchtigkeit beschleunigt und zu steigendem Meeresspiegel auf unserem Planeten führt. Dieser Teufelskreis – Kühlsysteme, die ununterbrochen laufen und die Umgebung aufheizen – ist ein vertrautes Hintergrundgeräusch für die Privilegierten dieser Welt, die es längst gewöhnt sind, alle Dissonanzen auszublenden.

Am 7. Mai wurde die Installation Terms and Conditions auf der 19. Internationalen Architekturbiennale eröffnet. Im ersten Raum der Corderie dell’Arsenale hängen Klimageräte an der Decke, die die dahinterliegenden Räume kühlen und die Luft im Vorraum mit ihrer Abwärme aufheizen. Die so erzeugten thermischen Bedingungen geben einen Vorgeschmack auf das Klima, das für Venedig bis zum Ende dieses Jahrhunderts vorhergesagt wird.

Die Installation ist eine Sonderbeauftragung des Kurators Carlo Ratti. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von Thomas Auer und Jochen Lam von Transsolar als Klimaingenieure mit Bilge Kobas als Designleitung, einem Design- und Theorieteam mit dem Architekturhistoriker Daniel A. Barber, die Philosophin Dehlia Hannah, die Expertin für Daten-Governance Alexandra Auer und der Architekt Sebastian C. Koth, sowie einem Klimawissenschaftsteam von ETH Zürich mit Sonia Seneviratne, David N. Bresch und Lorenzo Pierini als Berater.

Die Installation basiert auf der Online-Textsammlung „After Comfort: A User’s Guide ” herausgegeben seit 2023 von Daniel A. Barber, Thomas Auer und anderen. Sie wird begleitet von einer wissenschaftlichen Literaturübersicht Venice in a Changing Climate und einem laufenden Programm aus Workshops, Podcasts und Publikationen.

Terms and Conditions holt das Draußen nach drinnen: Die Außengeräte der Klimaanlagen hängen hier drinnen, im Raum. Sie blasen die Abwärme hinein, damit die Räume der Corderie dell’Arsenale dahinter gleichmäßig kühl bleiben können. Wärme wird verschoben, von dort nach hier, von den anderen zu Dir. So wird der Durchgang der Besucher durch diesen Raum zur räumlichen Allegorie für die täglich zunehmenden globalen Ungleichheiten in Sachen thermischen Komforts. Wer darf sich wie lange behaglich fühlen und zu welchem Preis?

Auf dieser Seite: kühl, beständig, komfortabel. Normiert und universell, versiegelt und abgekapselt. Klimatisierung basiert auf Konsistenz: immer eingeschaltet, stets verfügbar, immer die gleiche Temperatur. Konsistenz ist teuer. Sie erfordert Infrastruktur, Reserven, Ressourcen und Rechenleistung; sie braucht eine undurchdringliche Hülle, die das Innere vom Chaos draußen isoliert.

Auf jener Seite: heiß, laut und schwül. Unvorhersehbar und unbequem, undicht und unbeständig. Dies ist der Raum der thermischen Auseinandersetzung, in dem über Emissionen debattiert wird, ob sie Luxus sind oder für das Leben notwendig, in dem Krankenhäuser und Kühlzentren Anspruch auf sozio-thermische Investitionen erheben und in dem die öffentliche Gesundheit durch Risikominimierung und Inkaufnahme von Verlusten verhandelt wird.

Lebensstile des Komforts schaffen und schüren das Missverhältnis in der Verteilung thermischer Behaglichkeit auf der Welt. Gebäude und Gebäudesysteme, die sich für eine rasche Dekarbonisierung nicht eignen, verstärken es. Wir stehen am Abgrund, zeitlich und geografisch versetzt – aber nur knapp, nur für den Augenblick – von den überwältigenden Erfahrungen von Hitze, der man nicht entkommen kann, schweißtreibender Nächte und thermischer Belastung. Dies sind „Conditions“, die Bedingungen, denen wir zugestimmt haben. Während wir die Abwärme ertragen und uns um Resilienz bemühen, sollten wir darüber nachdenken, wie und für wen wir sie überarbeiten oder neu verhandeln können.

Im Vorraum zur Ausstellung wird das laute Geräusch der Klimaanlagen zum Alarm, zum Weckruf aus dem kollektiven Unwissen. Unbehagen. Thermischer Stress. Externalisierte Kosten. Nicht-kompensierbare Hitze. Pfadabhängigkeit. Luxus- vs. Überlebensemissionen. Opferzonen. Suffizienz. Das ist der Fachjargon einer Intelligenz des einundzwanzigsten Jahrhunderts, ein wachsendes kritisches Vokabular für eine Architektur im Zeitalter der Klimakrise.

Terms and Conditions sorgt für Unruhe, spiegelt sich im Wasser der Installation von Michelangelo Pistoletto, dessen Langzeitprojekt Weg ins dritte Paradies den Einklang von Mensch und Technik anstrebt. Die beiden Projekte, verflochten am selben Ort, zeigen auf, wie wichtig es ist, Architektur, Wissenschaft und Technologie mit humanitären Zielen in Einklang zu bringen und welche Herausforderungen damit verbunden sind.

Die Installation fokussiert diese Themen mit realen wie allegorischen Mitteln. 80 der 92 Klimageräte stammen von italienischen Schrottplätzen, 12 sind voll funktionsfähig und pumpen Abwärme in den Eingangsraum, während sie die große Ausstellungshalle kühlen. Der Raum ist zugleich eine Reise durch die Zeit: Im Eingangsbereich herrschen noch die aktuellen Bedingungen der Welt draußen, an einem Sommertag in Venedig 2025. Mit jedem Schritt durch den Raum jedoch nehmen die Dichte der Klimageräte und die Intensität der Hitze zu. Da horizontale Temperaturunterschiede physikalisch instabil sind und sich ausgleichen, wurde der horizontale Gradient gezielt mit Strahlungswärme unterstützt. So erreichte das Team für die Besucher das Gefühl einer zunehmend steigenden Temperatur entlang des Weges. Nahe dem Ausgang ist es im Raum so heiß und feucht, wie es den Verhältnissen entspricht, die für das Jahr 2100 vorhergesagt werden.

Nach Durchschreiten der schweren thermischen Vorhänge am Ausgang spürt man beim Betreten der Halle die von oben herabgeblasene von den Kondensatoren gekühlte Luft und damit endlich Erleichterung – der Moment für einen Augenblick der Reflexion.

CREDITS
Klimaingenieurwesen: Thomas Auer, Jochen Lam, Alina Wagner, Melis Ozalp (Transsolar Energietechnik GmbH)
Designleitung: Bilge Kobas (Technische Universität München)
Design- und Theorieteam: Daniel A. Barber (TU Eindhoven), Dehlia Hannah (Universität Kopenhagen), Alexandra Auer, Sebastian C. Koth (Technische Universität München)
Klimawissenschaft: Sonia Seneviratne, David N. Bresch, Lorenzo Pierini (ETH Zürich)
Installation: Massimo Ferranti (ABC Produzioni e Allestimenti), Alessandro dal Pra (pp ABC Srl)
Produktion: Klaus Feith (boost)
Unterstützer: DGNB (Deutscher Nachhaltiger Bau e.V.), Transsolar Energietechnik GmbH

Quelle: Proesler Kommunikation GmbH