26. April 2024

7. Hugo-Häring-Landespreise 2018

Stuttgart (pm) – Der Bund Deutscher Architekten BDA Baden-Württemberg verleiht seit 1969 im Abstand von 3 Jahren den Hugo-Häring-Landespreis für vorbildliche Bauwerke in BadenWürttemberg an Bauherren und Architekten für ihr gemeinsames Werk. Mit dem Namen Hugo Häring bekennt sich der BDA zur Tradition des „neuen Bauens“ und der „modernen Architektur“, und ehrt den 1882 in Biberach geborenen Architekten, der sich gleichermaßen gegen abstrakte Formgesetze wie auch gegen subjektive Architekturauffassung stellte.

Der Hugo-Häring-Preis ist ein zweistufiger Preis, das Auswahlverfahren erstreckt sich über zwei Jahre.

1. Stufe: HUGO-HÄRING-AUSZEICHNUNG Die Hugo-Häring-Auszeichnungen werden in den 15 Kreisgruppen des BDA BadenWürttemberg vergeben.

2. Stufe: HUGO-HÄRING-LANDESPREIS Der Hugo-Häring-Landespreis wird auf Landesebene verliehen.

Die Preisträger werden aus den in der ersten Stufe ausgezeichneten Bauten ausgewählt. Es können mehrere gleichrangige Arbeiten gewürdigt werden.

Zum Auszeichnungsverfahren 2017 wurden 648 Bauwerke eingereicht, von denen 151 eine Hugo-Häring-Auszeichnung erhielten und damit zum Auswahlverfahren der zweiten Stufe nominiert waren. Eine fünfköpfige Fachjury wählte darunter im Juni 2018 sieben Bauten aus, die einen Hugo-Häring-Landespreis 2018 erhalten.

Die Hugo-Häring-Landespreise werden am 23. November 2018 unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Kretschmann in der „Aula am Bildungscampus“ in Heilbronn verliehen.

Zur Preisverleihung erscheint Band 12 der Reihe „Architektur in Baden-Württemberg“, in dem alle 151 Projekte dokumentiert sind.

Alle Auszeichnungen und Landespreise sind auch auf der neuen Website zum Hugo-Häring-Preis zu finden: www.hugo-häring-preis.de

Jury

  • Dipl.-Ing. Peter Haimerl, München
  • Prof. Dipl.-Ing. Marcel Meili, Zürich
  • Dipl.-Ing. Herwig Spiegl, Wien
  • Amber Sayah, Architekturjournalistin, Stuttgart
  • Prof. Dr. Inés de Castro, Direktorin Linden Museum, Stuttgart

Preisträger (Reihenfolge ohne Wertung)

  • Generalsanierung Haus des Landtags, Stuttgart

Architekt: Staab Architekten, Berlin

Bauherr: Land Baden-Württemberg Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart

Foto: Marcus Ebener

Würdigung der Jury

Denkmale sollen heutzutage sowohl historische Ausstrahlung besitzen als auch alle Anforderungen an ein modernes Gebäude in Bezug auf Technik, Energieeffizienz und Komfort erfüllen. Die heikle Aufgabe, das Haus des Landtags aus den sechziger Jahren für die Zukunft zu ertüchtigen, meistern die Architekten mit großem Respekt vor dem für die Nachkriegsgeschichte des Landes eminent wichtigen Bau, ohne dessen zentrale „Botschaft“ zu verraten. So ist es ihnen gelungen, dem Wunsch der Abgeordneten nach mehr Licht und Luft im Plenarsaal nachzukommen und dennoch den programmatischen Gegensatz von transparenten, großflächig verglasten Fassaden und der introvertierten Mitte bestehen zu lassen. Beispielhaft ist die Lösung, mithilfe der Decke aus satiniertem Glas natürliches Licht in den Saal zu bringen und Tag und Nacht, Sonne und Regen auch im Inneren erlebbar zu machen. Zugleich konnte durch die trichterförmigen Öffnungen, die die Lichtdecke illuminieren, der Baukörper in seinem Erscheinungsbild unverändert erhalten bleiben. Von Sensibilität im Umgang mit dem Baudenkmal zeugen auch die seitlichen Öffnungen in der Saalwand, die so geschickt platziert und dimensioniert wurden, dass die räumliche Inszenierung aus quadratischem Grundriss und neuneckiger Plenarkapsel keinen Schaden nimmt.

Das Haus hat sich nach der Generalsanierung im Großen wie im Kleinen die Patina des ersten Parlamentsbaus in Europa nach 1945 bewahrt und strahlt gleichwohl die Frische einer heutigen Volksvertretung aus. Ein preiswürdiger Umgang mit einem bedeutenden Baudenkmal der Moderne.

 

  • Neubau Kärcher-Areal, Winnenden

Architekt: Reichel Schlaier Architekten GmbH, Stuttgart

Bauherr: Alfred Kärcher GmbH & Co. KG

Foto: Brigida González

Würdigung der Jury

Mit drei neuen Gebäudeteilen und einer Verbindungsbrücke zum alten Firmengelände haben die Architekten dem Areal einen neuen Ausdruck verliehen. Mit Sicherheit und leichter Eleganz haben sie dem existierenden Ziegelschlot einen transparenten Verbindungssteg gegenübergestellt. Ein Konferenzbereich mit geschwungenem Dach, ein verglaster Bürotrakt und ein Besucherbereich mit Ziegelfassade und großen horizontalen Fensterflächen formulieren eine poetische Antwort auf diesen Ort. Mit diesem Bau hat sich der Bauherr nicht nur einen erweiterten Firmensitz geschaffen, sondern einen Ort, von dem aus er mit neuem kulturellem Selbstverständnis in die Zukunft hinein agieren kann.

 

  • Hochschule der Medien, Erweiterung Süd, Stuttgart

Architekt: SImon Freie Architekten BDA, Stuttgart

Bauherr: Hochschule der Medien, vertreten durch Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim

Foto: Brigida González

Würdigung der Jury

Der Erweiterungsbau der Hochschule für Medien in Stuttgart-Vaihingen ist ein einfacher Betonkubus aus präzisen Fertigteilelementen gefertigt, fein detailliert, klar strukturiert, einer strengen inneren Logik folgend, in dem sich die Regeln für gute Architektur mustergültig vereinen: Wie bei vielen architektonischen Meisterwerken handelt es sich auch hier um gekonntes Handwerk, das die Grundvoraussetzung für beste Architektur schafft. So gelingt es den Architekten durch virtuose Regelauslegungen den Fassaden und Innenräumen eine spielerische Leichtigkeit und Offenheit zu verleihen, die durch transparente Innenwände unterstrichen und verstärkt wird.

  • Kreativwirtschaftszentrum, Mannheim

Architekt: hartwig schneider architekten, Stuttgart

Bauherr: Stadt Mannheim

Foto: Christian Richters

Würdigung der Jury

Weiterbauen ist ein Thema in der Architektur und im Städtebau, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Exemplarisch für diesen Ansatz ist das Kreativwirtschaftszentrum in Mannheim. An der Hafenstraße direkt an einem Verbindungskanal zwischen Rhein und Neckar gelegen, reagiert es auf die alten Speichergebäude seiner Umgebung mit einer robusten, im wörtlichen wie übertragenen Sinn „starken“ Architektur, die ihre Entstehungszeit klar in der Gegenwart hat und zugleich den Schulterschluss mit den Industrieveteranen sucht. Verwandtschaftliche Beziehungen stiftet zum einen das Material: Durchgefärbter ziegelroter Ortbeton und die horizontale Brettschalung korrespondieren mit dem Mauerwerk der Nachbarbauten. Formale Bezüge schafft zum anderen der flache Giebel des Bürobaus, der die leichten Dachneigungen des Bestands aufgreift, während die denkmalgeschützten Giebelwände einer ehemaligen Lagerhalle und ebenfalls roter Sichtbeton den Galerieneubau umhüllen. Als auszeichnungswürdig bewertet die Jury daneben die flexible, für vielfältige Nutzungen taugliche Skelettstruktur der Gebäude.

Hervorzuheben sind neben den architektonischen auch die städtebaulichen Vorzüge des Entwurfs: Er übernimmt die durchlässige Gliederung der Hafenstraße, indem er zwischen den beiden Häusern einen Platz ausbildet, der sich als Steg übers Wasser fortsetzt. Mit Gastronomie, Werkstätten, Läden und Kunstgalerie hat sich das NeubauEnsemble bereits als Treffpunkt für den lange Zeit vernachlässigten Stadtteil Jungbusch bewährt und zu dessen Aufwertung beigetragen. Das Kreativwirtschaftszentrum macht Stadt – vorbildlich!

  • Turmbergterrasse, Karlsruhe-Durlach

Architekt: Architekten Hähnig | Gemmeke, Freie Architekten BDA, Tübingen

Bauherr: Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft, Stadtbauamt Durlach

Turmberg (c) Stefan Baumann

Würdigung der Jury

Dem Projekt gelingt es, etwas zu erreichen, was der Architektur weniger oft gelingt als sie es selbst behauptet: einen öffentlichen Ort zu schaffen, der die mentale Karte der Stadtbewohner offensichtlich verändert. Der Ort wird von der Öffentlichkeit in einer Breite und Gelassenheit akzeptiert, die beim Bau in diesem Ausmaß kaum vorhersehbar war. Natürlich profitiert der Ort dabei von der Qualität eines Ausblicks, welcher an case study Häuser erinnert. Am Abend scheint der Ort eine gewisse Weichheit auszustrahlen, welche die konzeptionelle Klarheit gewissermaßen überformt. Es gilt allerdings auch zu anerkennen, dass dabei Mittel zur Anwendung gelangen, die sehr bescheiden und außerordentlich klug gewählt wurden: Auf spannungsvolle Art wurde ein Raum zwischen der Bergstation und dem Aussichtshaus aufgespannt, in welchen sich die Sitzterrasse – ein informeller Raum, der dem heutigen Habitus vor allem jüngerer Besucher entgegenkommt – topographisch auf selbstverständliche Art einfügt. Mit einfachsten Mitteln, einem Wandstück mit einem den Blick lenkenden Dach und mit einer Raum schaffenden massiven Brüstung, schafft die Terrasse praktisch ein Zuhause für diese Aussicht. Dazu gehört auch der mietbare Veranstaltungsraum unter der Terrasse. Die Anlage verfügt über eine unmittelbare Erfahrbarkeit, welche zur Beschlagnahmung durch die Öffentlichkeit mit ihren diszipliniert eingesetzten räumlichen und architektonischen Mitteln geradezu einlädt.

 

  • Tankturm, Heidelberg

Architekt: AAg LoebnerSchäferWeber BDA Freie Architekten GmbH, Heidelberg

Bauherr: Wasserturm Grundstücksverwaltungs GbR

Foto: Thomas Ott

Würdigung der Jury

Nichts bewahrt ein Industriedenkmal besser vor dem Verfall und dem Vergessen als dauerhaftes Bespielen durch zeitgemäße Nutzungen. Eine zukunftsweisende Interpretation des Denkmalschutzgedankens könnte daher lauten, Gebäude nicht nur in ihrem Gestern zu konservieren, sondern im Heute mittels mutiger Fortschreibung des Ursprünglichen auch noch im Morgen einen vielfältigen Betrieb zu ermöglichen. Die Arbeit am ehemaligen Tankturm in Heidelberg verdeutlicht diese These, indem die Verfasser neben sensibler und respektvoller Sanierung des Bestandes, diesen in einem kreativen Prozess mit Hilfe weniger, präziser Maßnahmen, der Zeit entsprechend weiterentwickelt haben. Das Resultat zeigt eine Vielzahl neuer, detailreicher und dadurch charakteristischer Räume im fein geputzten historischen Kleid, welche den Tankturm mit neuem Leben befüllt, als kulturellen Treffpunkt in der Heidelberger Bewohnerschaft verankern. Der vermeintlich unschuldige, beinah freche Umgang mit Elementen des Bestandes, so zum Beispiel das Aufschneiden von Tankkessel und Dach, darf den Betrachter dabei nicht über die akribische Analyse und die disziplinierte Auseinandersetzung mit dem Dagewesenen hinwegtäuschen, welche die Verfasser ihren letztlich ganz bewußt gewählten Eingriffen vorangestellt haben. Die Kunst besteht genau darin, seriösen Denkmalschutz in frischer Leichtigkeit erscheinen zu lassen.

 

  • Hof 8 – Umnutzung einer landwirtschaftlichen Hofanlage, Weikersheim-Schäftersheim

Architekt: Architekturbüro Klärle, Bad Mergentheim

Bauherr: Prof. Dr. Martina Klärle und Andreas Fischer-Klärle

Foto: Brigida González

Würdigung der Jury

Das privat initiierte Projekt schafft es auf überzeugende Art und Weise die vielseitigen Ansprüche sichtbar zu machen, denen Architektur heutzutage gerecht werden muss. Der Umbau einer in die Jahre gekommenen ehemaligen Hofanlage im Zentrum von Weikersheim-Schäftersheim in ein zeitgemäßes und multifunktionales Dorfensemble aus Arbeit (Bürohaus, Ausbildungshaus, Hebammenpraxis), Wohnen (Seniorenwohnhaus) und Freizeit (Veranstaltungsscheune) bietet eine vorbildliche Antwort auf die Fragen der Dorferneuerung. Es zeigt, daß Leben auf dem Land mehr sein kann als Schlafen in den eigenen vier Wänden, und eröffnet die Chance als Modellbeispiel dem Aussterben der Ortskerne aktiv entgegen zu treten. Ohne das Ursprüngliche zu verleugnen, integriert die Arbeit mit hohem Detailanspruch zeitgemäße Architekturelemente in freigelegte historische Bestandsstrukturen und schafft auf diese Weise einen Hybrid, dessen Ausdruck weit mehr Strahlkraft besitzt als die Summe seiner Einzelteile. Die Integration intelligent geplanter Gebäudetechnik ermöglicht darüber hinaus einen hocheffizienten Energiehaushalt für das Projekt selbst, während Dorfbewohner zudem eingeladen werden, am erwirtschafteten Überschuss mittels kostenloser E-Tankstelle zu profitieren.

Pressemitteilung: Bund Deutscher Architekten BDA Landesverband Baden-Württemberg