Wiesbaden (pm) – Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 294 400 Wohnungen gebaut. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 0,3 % oder 900 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Damit hat sich die Zahl der jährlich fertiggestellten Wohnungen seit dem Jahr 2021 kaum verändert (2021: 293 400; 2022: 295 300). Zuvor war die Zahl der Wohnungen von 159 800 im Jahr 2010 bis auf 306 400 Wohnungen im Jahr 2020 gestiegen. In den Zahlen sind sowohl die Baufertigstellungen für neue Gebäude als auch für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden enthalten sowie Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden.

Von den im Jahr 2023 fertiggestellten Wohnungen waren 257 200 Neubauwohnungen in Wohngebäuden. Das waren 0,6 % oder 1 600 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Auf Einfamilienhäuser entfielen davon 69 900 Wohnungen. Damit wurden 9,3 % oder 7 200 Einfamilienhäuser weniger fertiggestellt als im Vorjahr. Dagegen stieg die Zahl neuer Wohnungen in Zweifamilienhäusern um 3,8 % oder 900 auf 23 800. In Mehrfamilienhäusern wurden 156 300 Neubauwohnungen geschaffen und damit 4,1 % oder 6 100 mehr als im Vorjahr. In Wohnheimen sank die Zahl fertiggestellter Wohnungen um 15,9 % oder 1 400 auf 7 300. Die durchschnittliche Abwicklungsdauer, also die Zeit von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung, hat sich bei den im Jahr 2023 fertiggestellten Wohngebäuden auf 24 Monate weiter verlängert; im Jahr 2020 waren es noch 20 Monate gewesen. In Nichtwohngebäuden entstanden im Jahr 2023 insgesamt 5 600 Wohnungen, das waren 17,2 % oder 800 mehr als im Jahr 2022.
Bauüberhang verringert sich erstmals seit dem Jahr 2008
Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen fiel im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 26,7 % auf 259 600 und war damit deutlich geringer als die Zahl der fertiggestellten Wohnungen. Dadurch ging die als Bauüberhang bezeichnete Zahl bereits genehmigter, aber noch nicht fertiggestellter Wohnungen im Vorjahresvergleich erstmals seit dem Jahr 2008 gegenüber dem Vorjahr zurück und zwar um 58 100 auf 826 800 Wohnungen zum Jahresende 2023. Davon befanden sich 390 900 Wohnungen bereits im Bau (214 500 waren „unter Dach“ beziehungsweise im Rohbau fertiggestellt). Der bisher höchste Bauüberhang wurde im Jahr 1995 mit 928 500 Wohnungen gemessen.
22 700 erloschene Baugenehmigungen für Wohnungen im Jahr 2023
Der Rückgang des Bauüberhangs ist auch auf die hohe Zahl erloschener Baugenehmigungen zurückzuführen, bei denen in der Regel die mehrjährige Gültigkeitsdauer der Genehmigung abgelaufen ist und die nicht mehr in die Berechnung einfließen. Im Jahr 2023 erloschen 22 700 Baugenehmigungen, nachdem im Jahr 2022 mit 22 800 erloschenen Baugenehmigungen der höchste Wert seit 2006 verzeichnet worden war. Zugleich ist davon auszugehen, dass im Bauüberhang auch Bauvorhaben enthalten sind, deren Genehmigungen zwar noch nicht erloschen sind, die aber nicht mehr weiter verfolgt werden.
3,8 % mehr umbauter Raum bei Nichtwohngebäuden
Der zentrale Indikator für die Bauaktivität bei Nichtwohngebäuden ist der umbaute Raum. Bei den im Jahr 2023 fertiggestellten Nichtwohngebäuden erhöhte sich der umbaute Raum gegenüber dem Jahr 2022 um 3,8 % auf 191,7 Millionen Kubikmeter. Der Anstieg ist unter anderem auf die Handels- und Warenlagergebäude mit Zunahmen von 10,2 % beziehungsweise 10,3 % zurückzuführen. Bei den Büro- und Verwaltungsgebäuden fand im Jahr 2023 wieder eine leichte Erholung nach der Corona-Krise statt (+6,2 % oder +1,1 Millionen Kubikmeter umbauter Raum).
Quelle: DESTATIS | Statistisches Bundesamt
Kommentare
Aber Stabilisierung auf dem Niveau der Vorjahre – Grund: Baubeginn vorrangig aus 2022 und davor
Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen lag 2023 mit rund 294.400 auf dem Niveau von 2022 und damit über allen Prognosen, die zwischen 215.000 und 270.000 lagen. „Es ist zunächst einmal ein Ergebnis, dass die Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft auch in konjunkturell schwierigen Zeiten und unter problematischen Rahmenbedingungen beweist. Es zeigt außerdem den enormen zeitlichen Verzug bauwirtschaftlicher und baupolitischer Entscheidungen“, kommentiert Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie die Fertigstellungszahlen, die das Statistische Bundesamt heute bekannt gegeben hat. Denn viele der Fertigstellungen des Vorjahres dürften noch auf Genehmigungen zurückzuführen sein, die in den Jahren bis 2022 unter deutlich besseren Rahmenbedingungen beantragt und erteilt worden sind. „Unterm Strich bleibt allerdings: Auch im Vorjahr wurden weniger Wohnungen gebaut, als es der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum eigentlich erfordert. Weder die Politik noch wir als Branche sollten sich deshalb mit diesem Ergebnis zufriedengeben“, so Müller weiter.
Wohin die Reise am Wohnungsmarkt angesichts negativer Vorzeichen hinzugehen drohe, zeige sich bei den Baugenehmigungen. Diese hätte 2023 mit nur noch 260.000 um nahezu ein Drittel niedriger gelegen als 2021. Auch im ersten Quartal 2024 habe es mit einem weiteren Rückgang von 22 Prozent keine Trendwende gegeben. Politik, Bauwirtschaft und Immobilieninvestoren stünden daher in der Pflicht, in ihren Anstrengungen zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum nicht nachzulassen. Schließlich sei 2023 die Zahl der Sozialwohnungen weiter zurückgegangen.
Müller mahnte vor allem ein stärkeres Engagement der Politik an. „Mit einem mutigen und beherzten Abbau hemmender staatlichen Regulatorik können wichtige Impulse gesetzt werden, ohne dass dem Staat nennenswerte Kosten entstehen“, so Müller. „Lange Planungs- und Genehmigungszeiten, sich ständig verändernde Vorgaben zur Bauqualität, ausufernde Bauvorschriften sowie unterschiedliche Landesbauordnungen: wenn endlich die Schere an diesem Vorschriftenwirrwarr angesetzt wird, könnten die Bauunternehmen mehr industriell und seriell bauen sowie Baukosten aus eigener Kraft deutlich reduzieren. Am besten gelingt das mit voll digitalisierten und personell gut ausgestattet Bauverwaltungen.“
Angesichts weiterhin hoher Zinsen und Baupreise reiche dies aber vor allem kurzfristig nicht aus, dem Wohnungsneubau wieder auf die Sprünge zu helfen. Wolle die Politik die ambitionierten selbstgesteckten Ziele erreichen, müsse auch mehr Geld in die Hand genommen werden, vor allem im Rahmen eines Zinsverbilligungsprogramms. „So schön das Ergebnis für 2023 auch ist, vor allem in den Ballungsgebieten und ihrem Umland bauen wir weiter dem steigenden Bedarf hinterher“, erklärte Müller.
Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
ZIA-Präsident Andreas Mattner zur Entwicklung beim Wohnungsbau: „In Wahrheit gibt es keinen Fortschritt – aber viel zu tun““
Nach Einschätzung der Immobilienwirtschaft wird Deutschland auf einen alarmierenden Tiefpunkt beim Wohnungsbau zusteuern¸ wenn es nicht weitere entschiedene Gegenmaßnahmen gibt. „Die Nachrichten des Statistischen Bundesamts belegen keineswegs eine Wende, der Fehlbedarf wird vielmehr immer größer. Die Zahlen zu den Fertigstellungen in 2023 sind nur Vollzugsmeldungen für Projekte, die noch in der guten alten Zeit unter besseren Bedingungen gestartet wurden‘“, kommentiert ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner die offizielle Vorstellung der Baufertigstellungs-Zahlen. „In den nächsten Monaten können wir davon nicht mehr zehren. Die Folgen der rapiden Zins- und Baukostensteigerungen werden uns dann mit voller Wucht treffen“, warnt Mattner. Marktberichten zufolge könnte sich die Fertigstellung von mehr als 220.000 neuen Wohnungen verzögern. „Die finsteren Aussichten schreien nach einer klugen Antwort der Bundesländer. Jetzt geht es vorrangig darum, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen und finanzpolitisch die Weichen richtig stellen.“
Laut Destatis wurden im Jahr 2023 in Deutschland 294.400 Wohnungen gebaut.
Umsteuern bei der „Staatsquote“
Deutschland kann es sich, betont Mattner, nicht länger erlauben, mit einem staatlichen Anteil von 37 Prozent der Kosten beim Erstellen von Wohnungen die höchste Belastung in Europa zu verursachen. Der ZIA sieht zum Beispiel in der Grunderwerbsteuer einen entscheidenden Hebel. „Umsteuern sollte hier die Devise lauten“, so Mattner. „Die Finanzpolitiker in den Ländern müssen aus den jüngsten Signalen der Steuerschätzer zwingend die richtigen Schlüsse ziehen.“ Die hatten vor einer Woche die Einnahme-Erwartung bei der Grunderwerbsteuer für 2025 auf 12,55 Milliarden Euro beziffert – das wäre gegenüber 2022 ein Rückgang von fast fünf Milliarden. „Wenn die Länder realisieren, dass weniger hohe Steuersätze ein Mehr an Fertigstellungen und damit auch an Einnahmen bringen werden, kann das eine Win-Win-Situation schaffen: mehr Wohnungen plus mehr Einnahmen für den Staat.“ Sätze von bis zu 6,5 Prozent seien „absolut indiskutabel“.
Zudem müssten zumindest temporär kommunale Abschöpfungsmodelle ausgesetzt werden. „Im Ergebnis spült die staatliche Zurückhaltung dann in wenigen Jahren Einnahmen aus dem Bau in die Kasse und stößt die Schaffung neuer Wohnungen an“, erklärt Mattner. „Damit das funktioniert, müssten Bund, Länder und Gemeinden an einen Tisch, um die kurzfristigen Lasten und die späteren Vorteile gerecht zu verteilen. Das Thema ist so wichtig, dass es einen nationalen Kraftakt braucht.“
Der ZIA taxiert die Neubaulücke in Deutschland auf 600.000 Wohnungen. Dieser Wert könnte ohne Korrekturen auf bis zu 830.000 Wohnungen im Jahr 2027 steigen.
Quelle: Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA)
„Rund 295.000 Wohnungen sind im vergangenen Jahr gebaut wurden. Das ist noch lange keine Entwarnung für den Markt. Man darf nicht vergessen: Durchschnittlich zwei bis drei Jahre dauert es von der Genehmigung bis zur Schlüsselübergabe. Was 2023 fertig geworden ist, sind die rund 24 Monate zuvor beauftragten Wohnungen.
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe
Angesichts der seit zwei Jahren Monat für Monat sinkenden Baugenehmigungszahlen muss man leider sagen: Die Durststrecke kommt erst noch. Denn immer weniger Menschen bauen, die Aufträge bei unseren Unternehmen werden immer weniger.
Für dieses Jahr rechnen wir nur noch mit maximal 250.000 fertiggestellten Wohnungen – Tendenz fallend. Ohne den Start der neu angekündigten Förderprogramme im Neubau, ohne geringere energetische Anforderungen und Zinssätze in den KfW-Programmen werden wir einen immensen Einbruch am Wohnungsbaumarkt sehen.“
„Die heute veröffentlichten Baufertigstellungszahlen sind kein Grund, irgendetwas schön zu reden. Es handelt sich um Zahlen aus der Zeit vor der Baukrise. Angesichts allseits gestiegener Kosten und Zinsen bei gleichzeitig fehlender Förderung für bezahlbaren Neubau können jenseits des geförderten Wohnungsbaus kaum noch neue Projekte überhaupt angedacht werden. Das bedeutet, dass der Pfeil bei der Entwicklung der Baufertigstellungen für die kommenden Jahre deutlich in eine Richtung zeigt: nach unten.
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW
Auch die Zahl der Sozialwohnungen nimmt laut aktuellen Medienberichten immer weiter ab. Statt der von der Regierung gewollten 100.000 neu gebauten Sozialwohnungen pro Jahr sind 2023 nicht einmal die Hälfte entstanden. Zwar wurde damit der Bau von etwas mehr Sozialwohnungen gefördert als im Jahr zuvor. Aber wenn der Neubaubedarf in diesem Bereich nicht einmal zu 50 Prozent erfüllt wird, zeigt das eindeutig die Dimension des Mangels, der immer weiter in die Zukunft hinein zementiert wird. Schlimmer noch: Zur gleichen Zeit fallen immer mehr bestehende Sozialwohnungen aus der Belegungsbindung hinaus. Ihre Zahl geht also trotz Neubau-Anstrengungen ebenfalls weiter nach unten.
Die Zeit des Zögerns muss jetzt ein für allemal vorbei sein. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam alles für den bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau tun. Damit es schnell geht und wenig kostet, ist ein groß angelegtes Zinsprogramm die einzig rasche, wirksame und für den Staat kostenneutrale Lösung. Denn mit einer Zinssubvention auf ein Prozent könnte wieder geplant und gebaut werden, die Baukonjunktur würde anziehen und die dadurch entstehenden Steuereinnahmen würden die Kosten des Programms komplett ausgleichen. Es ist unverständlich, warum die Regierung hier zögert. Anstelle von immer weiteren Gedanken um Mietrechtsverschärfungen, die den Wohnungsbau und ganz Deutschland nur ausbremsen statt weiterbringen, muss die Regierung endlich handeln und den Wohnungsbau für die Mitte der Gesellschaft wieder in Fahrt bringen.“