19. April 2024

Timber Prototyp House

Timber Prototyp House (c) IBA Thüringen, Thomas Müller

Stuttgart (pm) – Das Timber Prototype House verkörpert einen neuartigen Ansatz zur Mikro-Architektur: Es funktioniert im Prinzip wie ein auf die Seite gedrehtes Blockhaus für das 21. Jahrhundert und kombiniert so die Vorteile traditioneller, kostengünstiger Blockbauweisen mit den Möglichkeiten digitaler Planungs- und Fertigungsverfahren. Das Projekt untersucht ein neuartiges Holzbausystem für zugleich umweltfreundliche, wirtschaftliche und architektonisch ausdrucksstarke, mono-materielle Gebäudehüllen.

Im Gegensatz zu der horizontalen Stapelung typischer Blockbauweisen sind hier Kantvollhölzer stehend aufgereiht. So stimmt die Ausrichtung der Wandbauteile mit der Haupttragrichtung des Holzes überein. Zugleich ermöglicht es ohne Beeinträchtigung der Tragfähigkeit das Einbringen von Schlitzen. Diese dienen zugleich als Entlastungsschnitte, die ein Reißen des Vollholzes verhindern. So kann die Formstabilität und Dichtigkeit gewährleistet werden, was in herkömmlichen Blockbauweisen eine erhebliche Schwierigkeit darstellt. Gleichzeitig werden die Schlitzungen als Luftkammern genutzt, was die Wärmeleitfähigkeit reduziert und die Isolationswerte des Materials erhöht. Die digitale Fertigung ermöglicht dabei die Ausbildung hochpräziser, luftdichter und sortenreiner Verbindungen der Holzelemente, ohne jegliche zusätzlichen Metallbauteile oder Klebstoffe. Das so entstandene, nachhaltige Mono-Material-Bausystem ist in einem Tragwerk, Hülle und Dämmung, die selbst die strengen deutschen Energiesparstandards erfüllt. Der integrative, computerbasierte Planungs- und Fertigungsansatz ermöglicht es zudem, Wände und Decken sanft zu verdrehen. Dies bietet nicht nur die Möglichkeit, das Verhältnis von Raum und Hüllfläche zu maximieren. Es intensiviert auch den architektonischen Ausdruck dieses einzigartigen Mikro-Hauses.

Monomaterielle Holzbauweise

Holz zeichnet sich als regionaler Rohstoff und Baumaterial durch seine einzigartige ökologische Bilanz aus: Der natürliche Baustoff bindet im Wachstum CO2 aus der Atmosphäre, erfordert bei der Bearbeitung einen geringen Energie- und Ressourcen- aufwand und lässt sich meist regional gewinnen. Herkömmliche Gebäude setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Materialien zusammen, die mit hohen Energiekosten und aufwändigen Recyclingmaßnahmen verbunden sind. Durch den Forschungsansatz, der auf traditionellen Holzverbindungen basiert, wurde für das Timber Prototype House ein System entwickelt, bei dem die strukturellen Füge- und Verbindungslösungen sowie die luftdichte Hülle ausschließlich auf der Materialität des Holzes beruht. Dadurch konnten die Anzahl der Schichten des Bausystems erheblich minimiert werden und nach Ende der Nutzungsdauer ist eine einfache Demontage für die stoffliche Verwertung gewährleistet. Darüber hinaus konnten durch die Verwendung des ausschließlich regionalen Rohstoffs Energiekosten für den Materialtransport gering gehalten werden. Hierfür erhielt das Vorhaben das Öko- und Umweltlabel »Holz von Hier«.

Integriertes Konstruktionssystem

Die entwickelten Forschungsinnovationen verbessern die traditionelle Blockbauweise. Das Profil der KVH-Balken wurde so entwickelt, dass ein guter Wärmdämmwiderstand, eine hohe statische Belastbarkeit, sowie eine hohe Winddichtigkeit des Materials erzielt wird. Im Gegensatz zu der horizontalen Stapelung typischer Blockbauweisen sind hier die Kantvollhölzer (der Rahmenbauweise entsprechend) stehend aneinandergereiht. So stimmt die Ausrichtung der Wandbauteile mit der Haupttragrichtung des Holzes überein. Zugleich ermöglicht es ohne Beeinträchtigung der Tragfähigkeit das Einbringen von Schlitzen. Diese dienen gleichzeitig als Entlastungsschnitte, die ein Reißen des Vollholzes verhindern. So kann die Formstabilität und Winddichtigkeit gewährleisten werden, was in herkömmlichen Blockbauweisen eine erhebliche Schwierigkeit darstellt. Gleichzeitig werden die Schlitze als Luftkammern genutzt. Dadurch wird die Wärmeleitfähigkeit reduziert und die Dämmwerte des Materials erhöht. Die digitale Fertigung ermöglicht die Ausbildung hochpräziser, luftdichter und sortenreiner Verbindungen der Holzelemente, ohne jegliche zusätzlichen Metallbauteile oder Klebstoffe. Das so entstandene, nachhaltige Mono-Material-Bausystem ist in einem Tragwerk, Hülle und Dämmung, das selbst den strengen deutschen Energiesparstandards mit einem U-Wert von 0,20 W/(m2 K) erfüllt.

Computerbasierte Planung und Fertigung

Der neuartige Ansatz zu einer digitalen Blockbauweise ermöglicht eine Überwindung der rechtwinkligen Konstruktion, die für viele Mikro-Architekturen charakteristisch ist. Integrative, computerbasierte Planungswerkzeuge generieren automatisch die Daten für geometrische Modelle, die in einem automatisierten Fertigungsprozess umgesetzt werden. Eine fünfachsige CNC-Fräse ermöglicht eine präzise Ausführung der Holzbearbeitung. Das digitale Planungs- und Fertigungsverfahren ermöglicht es zudem, Wände und Decken leicht zu verdrehen. Dies bietet nicht nur die Möglichkeit, das Verhältnis von Raum und Hüllfläche zu maximieren, es intensiviert auch den architektonischen Ausdruck des einzigartigen Mikro-Hauses. Durch die Entwicklung eines vollständig computergestützten Arbeitsablaufes, der vom Entwurf bis zur Ausführung reicht, konnten im Forschungsprozess verschiedene geometrische Formen entworfen und die getroffenen Konstruktionsentscheidungen in Bezug auf die Erstellung von Massenermittlungen, Fertigungszeit und Materialverbrauch unmittelbar simuliert werden. So wird durch die Integration von Konzeption, technischer Planung, Konstruktion und Herstellung ein bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung gängiger Vorgehensweisen in der Architektur geleistet.

Timber Prototype House

Das Ergebnis der Forschung ist ein kleines, freistehendes, vollständig geschlossenes Mikro-Haus. Die geschwungenen Wände und die Decke sind sowohl von innen als auch von außen erlebbar. Die Gebäudeenden finden ihren Abschluss in übergroßen Fensteröffnungen, die den Blick auf den Eiermannbau und das angrenzende Grundstück ermöglichen. Konzipiert als komplett möbliertes Mikro-Haus, kann das Timber Prototype House mit allen notwendigen Funktionen für ein angenehmes, kompaktes Wohnen ausgestattet werden. Die Internationale Bauausstellung Thüringen wird den Bau als multifunktionalen Veranstaltungs- und Ausstellungsraum nutzen. Er demonstriert die Möglichkeiten einer innovativen Baukultur, die auf regionalem Material und tradiertem Wissen basiert. Trotz niedriger Wintertemperaturen am Standort, zeigen Simulationen, dass der Bau durch seine energieeffiziente Bauweise alle Merkmale eines Passivhauses erfüllt. Als fertiggestellter Prototyp können nun am Timber Prototype House die Testergebnisse unter realen Bedingungen geprüft werden.

Das Timber Prototype House wurde im März 2019 eröffnet. Es ist ein Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen und kann zur Zwischenpräsentation der IBA vom 24. Mai bis 29. September 2019 vor dem Eiermannbau in Apolda, Thüringen, besichtigt werden.

Timber Prototyp House (c) ICD Universität Stuttgart
Projektteam

Forschung, Planung und Ausführung
ICD – Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung, Universität Stuttgart Prof. A. Menges (PI), Oliver Bucklin, Oliver David Krieg, Victor Rodriguez
Jade Hochschule Oldenburg Hans Drexler, Marie Deilmann, Geronimo Bujny, Anna Bulavintseva
Internationale Bauausstellung: Thüringen Dr. Marta Doehler-Behzadi, Tobias Haag

Pressemitteilung: Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung Universität Stuttgart