19. April 2024

Schwierige Entsorgung – Bauunternehmer schlagen Alarm

Aktuelle Umfrage des Verbandes bestätigt: Wege zur Entsorgung von Erdaushub und Straßenabbruch werden immer länger

Frankfurt (pm) – Die Rhein-Main-Region boomt, allerorten wird gebaut. Städte und Kommunen suchen verzweifelt nach geeigneten Flächen, um neue Wohngebiete zu erschließen. Verstopfte Straßen und überfüllte Züge erfordern dringend den zeitnahen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Das haben die hessischen Parteien erkannt und machen Wohnungsbau und Verkehrspolitik zu Schwerpunktthemen im anstehenden Landtagswahlkampf. Dabei wird gerne ausgeblendet, dass es viel zu wenige Entsorgungsmöglichkeiten für den bei jeder Baumaßnahme anfallenden Erdaushub gibt.

Vertreter der Bauinnungen Gießen, Lahn-Dill, Marburg und Vogelsberg trafen sich aus diesem Grund Anfang Juli zu einer Krisensitzung in Gießen. „Es kann so nicht weitergehen. Die Preise für die Entsorgung von Erdaushub, Bauschutt und Straßenabbruch steigen ins Unermessliche, insbesondere hier in Mittelhessen. Die Kippen im Regierungspräsidium Gießen werden verstärkt aus dem Rhein-Main-Gebiet angefahren. Die Kippgebühren steigen und steigen. Diese Steigerungen können wir am Markt nicht einholen, bei den Bauherren stoßen wir auf null Verständnis,“ erklärte der Obermeister der Bauinnung Lahn-Dill, Bauunternehmer Ulrich Weber.

Jährlich über 2.000 Kilogramm Bauabfälle pro Einwohner in Hessen

Die Dimension des Problems ist kaum bekannt: „2016 mussten in Hessen 15,3 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfällen entsorgt werden. Die Hälfte davon (8 Millionen Tonnen) wird in der Verfüllung verwertet. Zu 95% handelt es sich dabei um „Boden und Steine“, also Erdaushub“ sagt Hartmut Schwieger, Abteilungsleiter des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V. mit Verweis auf den Bericht „Abfallentsorgung in Hessen 2016“ des Hessischen Statistischen Landesamtes. Umgerechnet auf die 6,2 Mio. Einwohner in Hessen entspricht dies also mehr als 2.000 kg Bauabfälle pro Einwohner und Jahr. Die LKWs, die von den Baustellen abfahren, legen immer weitere Wege zurück, um den Erdaushub entsorgen zu können. Die Verfüllung verlagert sich dabei seit Jahren deutlich von Süd- nach Mittelhessen (siehe Grafik 1).

Praxis-Beispiel Salzbachtalbrücke: 5.000 LKW Erdaushub

Alleine bei dem Autobahnbrücken-Neubau der Salzbachtalbrücke der A 66 in Wiesbaden im Jahr 2017 fielen 41.000 Kubikmeter Erdaushub an – das entspricht rund 66 bis 82.000 t = ca. 5.000 LKW-Fahrten nur für den Abtransport.

Besonders die sprunghaft steigenden Preise machen den Bauunternehmern zu schaffen, verdeutlichte der Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V.: „Wenn sich die Kippgebühr pro Tonne Erdhaushub zum Beispiel von heute auf morgen von 7 Euro auf 15 Euro erhöht, hört sich das zwar nicht viel an, entspricht aber bei einem großen Bauprojekt wie der Salzbachtalbrücke Kosten von 1,2 Millionen Euro anstelle von 574.000 Euro. Das ist mehr als eine halbe Million Euro, die nirgendwo eingeplant ist. Für die ausführenden Betriebe – wie auch die Bauherren – ist das eine Katastrophe“ erklärt Rainer von Borstel, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Transporte schon heute über 50 km weit nötig

Eine aktuelle Umfrage des Verbandes unter seinen Mitgliedsbetrieben zeigt: Die baustellennahe Entsorgung (bis 25 km) ist bei Böden, wie sie im urbanen Gebiet die Regel sind, aber auch bei Straßenabbruch kaum noch möglich: Die Betriebe müssen Erdaushub der LAGA-Klasse Z1.2 zu 21 % und zu 40% bei Straßenabbruch mehr als 50 km weit zur Entsorgung transportieren (siehe Grafik 2). In Einzelfällen beträgt die Transportentfernung 150 km. Der mittlere Entfernungsweg liegt bei 47 km von der Baustelle bis zur Entsorgung.

Das wirkt sich direkt auf die Baukosten aus: Der Anteil der Entsorgung an den Gesamtkosten beträgt 42% der Erdarbeiten (für Bodenklasse Z1.2) und 34% der Straßenbauarbeiten – so die Einschätzung der Bauunternehmer in Hessen.

Entsorgungsproblem wurde von der hessischen Politik zu lange ignoriert

Nach Angaben des Hessischen Umweltministeriums hat die Zahl der zur Verfügung stehenden Deponien in Hessen in den letzten 20 Jahren deutlich abgenommen. Von den 14 DK 0-Deponien gingen 7 bis Ende 2017 in die Stilllegung. Nach Erhebungen des Statistischen Landesamtes sind die bestehenden Deponien für gering belasteten Erdaushub in Hessen ab dem Jahr 2023 erschöpft.

„Unsere Umfrage zeigt eindeutig, dass dieses Thema nicht länger ignoriert werden darf. Wir fordern die hessischen Parteien auf, das wichtige Thema Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen endlich in Angriff nehmen. Wir sprechen hier von der größten Abfallmenge im Land – und die ist ungefährlich, aber niemand will den gebrauchten Boden haben. Das Thema wird sich nicht von alleine lösen und bereits heute wirkt sich der Entsorgungsengpass auf die Baukosten aus – auch auf die der öffentlichen Hand. Er gefährdet nicht nur die geplante Wohnungsbauoffensive und die Verkehrsinvestitionen der hessischen Landesregierung, sondern belastet durch die umfangreichen Schwertransporte auch unsere Straßen und die Umwelt!“ macht von Borstel abschließend deutlich.

Pressemitteilung: VERBAND BAUGEWERBLICHER UNTERNEHMER HESSEN E. V.