19. April 2024

James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel eröffnet

Ansicht von der Schlossbrücke © Simon Menges

Berlin (pm) – Mit der James-Simon-Galerie ist zwischen Kupfergraben und Neuem Museum ein Eingangsgebäude für das Ensemble der Berliner Museumsinsel entstanden. Gemeinsam mit der Archäologischen Promenade bildet die James-Simon-Galerie das Herzstück des 1999 entwickelten Masterplans, der seither als Ausgangspunkt für alle weiteren Planungen auf der Museumsinsel diente. Sie befindet sich auf jenem schmalen Grundstück, auf dem bis 1938 ein Gebäude Karl Friedrich Schinkels stand, das zu dem von ihm geplanten Neuen Packhof gehörte.

View towards the main entrance © Simon Menges

Als neues Tor zur UNESCO-Welterbestätte Museumsinsel kommt der James-Simon-Galerie eine besondere Bedeutung zu. Sie ermöglicht es, eine große Anzahl an Besuchern aufzunehmen und alle Service-Einrichtungen anzubieten, die Museumsbesucher heute erwarten. Der Neubau ist zum Lustgarten, der Schlossbrücke und dem Kupfergraben hin ausgerichtet. Oberirdisch schafft er eine direkte Anbindung an das Pergamonmuseum und verknüpft dieses auf Höhe des Sockelgeschosses über die Archäologische Promenade mit dem Neuen Museum, dem Alten Museum und dem Bode-Museum.

Durch die Staffelung der Gebäudevolumen bleibt der Blick von der Schlossbrücke in die Tiefe der Museumsinsel und auf die Westfassade des Neuen Museums erhalten. Die Uferkante zum Kupfergraben wird durch einen hohen, steinernen Sockel ausgebildet, über dem sich die Hochkolonnade als klassisches Piano nobile erhebt. Weite Bereiche dieser Hauptebene sind auch außerhalb der Öffnungszeiten frei zugänglich und erweitern den öffentlichen Raum auf der Museumsinsel. Die als Leitmotiv eingesetzten schlanken Stützen erinnern an die berühmte Skizze Friedrich Wilhelm IV. zu seiner ‘Kulturakropolis’ Museumsinsel. Sie führen die am Neuen Museum endende Stülersche Kolonnade in zeitgenössischer Form fort und bilden zwischen Neuem Museum und James-Simon-Galerie einen kleinen Kolonnadenhof.

Eine breite Freitreppe zwischen dem langgestreckten Sockel und der unteren Kolonnade lädt die Besucher zum Betreten des Gebäudes ein. Auf der oberen Ebene gelangen sie in das großzügige Foyer mit Info- und Kassenbereich und direktem Anschluss an das Hauptausstellungsgeschoss des Pergamonmuseums. Das Foyer, in dem auch das Café gelegen ist, öffnet sich zu einer großen Terrasse, die sich entlang des Kupfergrabens über die gesamte Länge des Gebäudes erstreckt. Im Mezzaningeschoss unter dem Haupteingangsfoyer befinden sich der Museumsshop, eine große Garderobe, WCs und Schließfächer, im Sockelgeschoss liegen die temporären Ausstellungsbereiche und das Auditorium.

Die Architektursprache der James-Simon-Galerie bedient sich vorgefundener Elemente der Museumsinsel, vor allem aus der Freiraumarchitektur, wie gebaute Topografie, Kolonnade und Freitreppe, und bezieht sich damit auf Schinkel, Stüler und die anderen Architekten, die hier gewirkt haben. Die Natursteinzuschläge im Betonwerkstein binden das neue Eingangsgebäude tonal in die Materialvielfalt der Kalkstein-, Sandstein- und Putzfassaden der Museumsinsel ein, während im Inneren glattgeschalter Ortbeton dominiert.

Namensgeber für das Gebäude ist der bedeutende Mäzen James Simon, der den Berliner Museen zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem seine Kunstsammlungen und Grabungsfunde vermachte.

View towards Pergamon museum © Ute Zscharnt for David Chipperfield Architects
Stadtraum und Zugänglichkeit

Die Berliner Museumsinsel mit ihren fünf historischen Museumsgebäuden ist ein komplexes topographisches Konvolut aus solitären Baukörpern. Sie kennt keine eindeutige Ausrichtung und ist sowohl nach außen in die Stadt hinein, als auch in ihrem Innern ungerichtet. Zwar agieren die Museen um den Kolonnadenhof im Innern der Insel, jedoch macht es die Orientierung der Häuser nach außen schwierig – und im Falle des Bode-Museums und des Pergamonmuseums unmöglich – auf der Insel von Haus zu Haus zu gehen. Obwohl beide Museen unmittelbar nebeneinander liegen, müssen Besucher, um vom Haupteingang des Neuen Museums ins Pergamonmuseum oder ins Bode-Museum zu kommen, die Insel über die Eiserne Brücke verlassen, um sie über eine weitere Brücke neu zu betreten.

Dennoch erscheint das komplexe Zusammenspiel der Baukörper im Stadtraum äußerst anziehend. Obwohl die Hauptfassaden der Häuser alle symmetrisch aufgebaut sind, sucht ihr Klassizismus nicht die Zentralperspektive, sondern die scena per angolo, die diagonale Ansicht in die Tiefe des Raumes und eigentlich die Bewegung. Als räumliches Gebilde generiert die Museumsinsel keine Hauptansicht, sondern will körperlich in der Bewegung wahrgenommen werden, im Spazieren. Spazierend erfährt man die Museumsinsel räumlich als Ort, als Freiraum und als Weite. Sie erscheint als komplexes Gebilde, als Bauwerk, Topografie und Landschaft zugleich.

An diesem neuralgischen Ort agiert die James-Simon-Galerie, um das Spiel der Raumrichtungen auf der Insel und zur Stadt zu ergänzen und neu zu orientieren. Mit vier Zugängen auf drei Ebenen macht sie die Mitte der Insel durchlässig und hebt ihre Trennungen auf. Sie schafft direkte Zugänge zum Pergamonmuseum und zum Neuen Museum und macht zukünftig auch Bode-Museum und Altes Museum über die Archäologische Promenade zugänglich, alle Häuser behalten jedoch gleichzeitig ihre historischen Haupteingänge. So entsteht eine Vielfalt von Ein- und Zugängen, die sowohl eine zeitgemäße Infrastruktur für Besuche größerer Gruppen bietet, als auch gezielte Besuche der einzelnen Häuser erleichtert.

 

Materialität

Betonwerkstein ist das prägende Material der Fassaden aus großformatigen Fertigteilen. Zuschläge aus weißem Lengefelder Marmorschotter binden das neue Eingangsgebäude tonal in die Materialvielfalt der Museumsinsel ein. Hinter den vorgelagerten schlanken Stützen aus demselben Material ist die Gebäudehülle durch Glasfassaden geschlossen. 8 Meter hohe „Glasschwerter“ hinter der Hochkolonnade stabilisieren die Verglasungen. Gleichzeitig öffnen sie den Blick auf die Umgebung und schaffen eine Verbindung von Innen und Außen.

Das Innere ist von sorgfältig gestalteten und hochwertig strukturierten Oberflächen bestimmt, insbesondere glattgeschalten Ortbetonwänden und –decken in Sichtbetonqualität und Fußböden aus hellem Crailsheimer Muschelkalk. Mezzaningeschoss und Auditorium erhielten ein Parkett aus geräucherter Eiche. Hinzu kommen Einbauten aus europäischem Nussbaum im Museumsshop und der Garderobe sowie Wandbekleidungen aus demselben Material im Auditorium und im unteren Foyer. Neben Bronze für Fensterprofile, Türen und Handläufe im gesamten Gebäude wurde ein Kupfergeflecht an ausgewählten Decken eingesetzt, unter anderem im Café.

Der Eingangsbereich der Hauptebene und die Abschlusswand der oberen Eingangshalle sollten in der Tradition historischer Bauten durch den Einsatz transluzenten Materials mit einer geheimnisvollen Leuchtkraft akzentuiert werden. Die Wahl fiel auf einen sehr hellen, gebänderten Marmor von der Insel Thassos im Norden Griechenlands, der in dünnen Scheiben auf Glas aufgebracht wurde. Um den Marmor-Glas-Verbundwerkstoff als Bauprodukt einsetzen zu können, mussten intensive Tests und Abstimmungen mit Fachplanern, Gutachtern und Bauaufsicht erfolgen.

 

Grundstück

Noch vor dem Bau des Alten Museums wurde das Gelände auf der nördlichen Spreeinsel als Gewerbegebiet genutzt. An dem nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel 1829 bis 1832 errichteten „Neuen Packhof“ orientierte sich Friedrich August Stüler beim Bau des Neuen Museums. Er entwarf die repräsentative Front des Gebäudes und dessen Eingang daher auf der Ostseite, an der später der Kolonnadenhof entstanden ist. Die Schinkel‘sche Packhofanlage wich nach und nach den Neubauten der Museen. Der letzte Teil am heutigen Standort der James-Simon-Galerie wurde erst gegen Ende der 1930er Jahre abgetragen, als sich wegen des schlechten Baugrundes an mehreren Stellen die Grundmauern gesenkt hatten.

Der Baugrund, auf dem nun das neue Eingangsgebäude errichtet worden ist, setzte höchste technische Anforderungen voraus. Es wird von einer eiszeitlichen Auswaschung geprägt, die sich vom Alten Museum bis unter das Pergamonmuseum zieht. Tragfähiger Baugrund ist teilweise erst in Tiefen von bis zu 40 Metern zu erreichen. Das Grundwasser steht etwa zweieinhalb Meter unter der Geländeoberfläche.

Die Gründung des Gebäudes erfolgte daher durch das Einbringen von rund 1200 Kleinbohrpfählen und der Schüttung einer Betonsohle unter Wasser. Ein Kleinbohrpfahl hat einen Durchmesser von 24 Zentimetern. Aufgrund des tief liegenden tragfähigen Baugrunds und da die Pfähle sieben bis neun Meter in den tragfähigen Baugrund eingebunden werden müssen, sind die Bohrungen bis zu 50 Meter tief.

 

Nachhaltigkeit

Die James-Simon-Galerie weist eine sehr gute energetische Gebäudequalität auf. Das Gebäude unterschreitet die in der Energieeinsparverordnung zum Zeitpunkt des Bauantrages geforderten Werte erheblich. Die Planung erfolgte nach dem Nachhaltigkeitsgrundsatz, den Energiebedarf zu mindern anstatt die Deckung des Energiebedarfs zu optimieren.

Das Energiekonzept des Gebäudes ist insbesondere in den Ausstellungsbereichen durch hohe Anforderungen an die Klimakonstanz geprägt. Die Optimierung von unter anderem baulichem Wärmeschutz und nutzbarer Speichermassen mindert den hierfür notwendigen Energieverbrauch. Der Einsatz von Drehtrommeltüren und Windfängen reduziert Wärmeverluste durch Lüftung trotz der erwarteten hohen Nutzungsfrequenz nachhaltig.

Die in der Anlagentechnik des Gebäudes realisierte Betonkernaktivierung nutzt thermisch aktivierte Oberflächen zur Grundlastabdeckung im Heiz- und Kühlfall und führt dadurch zu einer Reduzierung der Luftvolumenströme. In ausgewählten Bereichen wurde eine thermisch und akustisch wirksame, mit einem Kupfergeflecht bekleidete Decke eingesetzt. Die Betonkernaktivierung ist über die Nutzungsdauer wirtschaftlich und umweltfreundlich und trägt somit wesentlich zur Nachhaltigkeit des Gebäudes bei.
Neben energetischen Aspekten wirkt die James-Simon-Galerie auch soziokulturell und funktional nachhaltig. Durch die neu geschaffene Service-Infrastruktur entlastet sie den Bestand der historischen Museumsbauten auf der Insel. Sie bewahrt so die Integrität des Gesamtensembles, während sie gleichzeitig neue öffentliche Räume schafft.

Masterplan Museumsinsel

Die Museumsinsel Berlin gehört seit 1999 zum UNESCO-Welterbe und zählt jedes Jahr rund drei Millionen Besuche. Diese beiden Aspekte berücksichtigt der 1999 beschlossene Masterplan Museumsinsel. Die Insel in der Spree soll als zeitgemäßes Museumsquartier entwickelt und gleichzeitig das historisch gewachsene Architektur-Ensemble bewahrt werden.

Die fünf historischen Gebäude auf der Museumsinsel entstanden zwischen 1830 und 1930 und spiegeln 100 Jahre Museumsarchitektur. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie teilweise stark beschädigt. Erst mit der deutschen Wiedervereinigung konnten die Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, die sich im Ost- und Westteil der Stadt befanden, unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wieder zusammengeführt werden. Die Museen der Museumsinsel gehören seitdem zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Bei der Sanierung der Museumsinsel zeigte sich mit der Planung für die Wiederherstellung des Neuen Museums, dass wichtige Fragen nicht entschieden werden konnten, ohne die Museumsinsel als Gesamtkomplex zu betrachten. Daher beschloss die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Masterplan Museumsinsel. Die Entwicklung und Umsetzung des Masterplans übernahm die 1998 gebildete Planungsgruppe Museumsinsel. Sie setzt sich aus den Architekturbüros zusammen, die mit der Sanierung der einzelnen Häuser beauftragt wurden. Die Federführung hat David Chipperfield Architects.

Alle Maßnahmen folgen den im Masterplan Museumsinsel beschlossenen Leitideen: — Denkmalgerechte Grundinstandsetzung und Modernisierung — Besucher freundlich empfangen und leiten — Verbindungen schaffen — Museumsinterne Funktionen auslagern — Aufenthaltsorte im Freien schaffen.

Pressemitteilung: David Chipperfield Architects Gesellschaft von Architekten mbH