18. April 2024

Fassaden als neue Agrarflächen

Neue Konzepte für die Lebensmittelherstellung der Zukunft

Agro-Urbane Stadt der Zukunft (c) Daniel Abendroth
Agro-Urbane Stadt der Zukunft (c) Daniel Abendroth

Kaiserslautern (pm) – Eines der dringendsten Zukunftsprobleme stellt die Ernährung der Weltbevölkerung dar. Die zunehmende Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und die Verknappung fossiler Brennstoffe bei steigendem Bedarf an versiegelten urbanen Flächen erzwingen ein Umdenken bisheriger Agrarsystemkonzepte. Neu entwickelte Photobioreaktoren, wie sie an der Hochschule Kaiserslautern erforscht werden, können hier eine Lösung aufzeigen.

Um die Weltbevölkerung von ca. 10 Milliarden Menschen 2050 ernähren zu können, wird die potentielle Oberfläche einer zweiten Erde benötigt – zumindest aber einer zusätzliche Agrarfläche in der Größe Brasiliens, wovon andere Prognosen ausgehen. Gleichzeitig wächst der Anteil der Bevölkerung in den Städten von 50% auf 66 % in 2050. Der Bedarf an versiegelten urbanen Flächen steigt damit von heute 1 % auf 6 %. Allerdings entstehen exponentiell auch neue Oberflächen – an den urbanen Fassaden, die zum größten Teil ungenutzt sind. Warum nicht diese Fassadenflächen als neue urbane Agrarflächen nutzen?

Dass diese Vision keine Utopie mehr ist, zeigen die drei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekte „Next Generation Biofilm“, „Mikroagar2050“ und „Aquapolyk3“. Mit bisher unbeachteten Mikroorganismen in Kombination mit einer neuen Verfahrenstechnik (Plattformtechnologie) entwickeln die Projekte unter der Leitung von Michael Lakatos von der Hochschule Kaiserslautern, sogenannte emerse – an Luft geführte – Photobioreaktoren mit hoher Energie- und Ressourceneffizienz. Diese Bioreaktor-Systeme können freistehend, auf Dächern oder auch an Fassaden installiert werden. Auch Prozessverfahren zur Aufbereitung und Recycling von Rest- und Abfallströmen sind besser gestaltet als in herkömmlichen zumeist mit Flüssigkeit geführten Photobioreaktoren. Im Fokus der drei Forschungsprojekte steht dabei die Weiterentwicklung und Validierung dieser neuartigen Plattformtechnologie im Bereich der Algenbiotechnologie zur energieeffizienten Produktion von Lebensmitteln sowie Wert- und Wirkstoffen durch mehrere interdisziplinäre Forschungsteams. Im Rahmen des BMBF Programms „Agrarsysteme der Zukunft“ stellen sich die Wissenschaftler unter anderen Fragen wie: Wo werden Lebensmittel und nachwachsende Rohstoffe für prognostizierte 10 Milliarden Menschen im Jahre 2050 produziert? Wie sehen die Agrarflächen und Städte der Zukunft aus? Kann durch Zucht oder genetische Modifikation effizienter produziert werden? Könnten mittels Remote Sensing und Digitalisierung Ernteausbeuten erhöht werden? Könnten Algen als Zellfabriken der Zukunft eingesetzt werden? Oder liegen mögliche Lösungswege in der effizienten Nutzung von Landfläche wie zum Beispiel der Kopplung von Fisch-, Gemüse-, und Algenproduktion, den so genannten Multitrophischen Aquakultur Systemen (Weiterentwicklung der Aquaponik), die übereinander platziert werden und deren Stoffwechselprodukte sich gegenseitig positiv beeinflussen?

Zum Einsatz kommen soll die emerse Plattformtechnologie. Sie spart aktuell 20-40% der üblichen Energiekosten kommerzieller Produktionsverfahren mit Mikroalgen ein – ein Alleinstellungsmerkmal in den drei Forschungsprojekten. Dies ist vor allem dem Einsatz terrestrischer Produktionsorganismen zu verdanken, die Photosynthese betreiben und mittels Sonnenlicht und CO2-Aufnahme wachsen. Sie produzieren ihren Dünger selbst, brauchen kaum Wasser und tolerieren die Einleitung von toxischen Rest- und Abfallstoffen Daraus ergibt sich nicht nur eine Einsparung von Ressourcen, sondern auch energieaufwendiger Prozesse, um Lebensmittel und Wertstoffe zu produzieren.
(HSKL)

 

BMBF-Projekte „Next Generation Biofilm“, „Mikroagar2050“ und „Aquapolyk3“

Projektleitung: Dr. Michael Lakatos
Mitarbeit: Prof. Peter Groß, Andreas Wruck
Projektpartner: TU Kaiserslautern, HS Trier, HS Augsburg, Unternehmen engage, Univ.
Koblenz-Landau, Institut für Aquakultur und Kreislaufwirtschaft (DU), Senect GmbH & Co KG (Landau), inogram GmbH (Stuttgart), , TU Dresden, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Müncheberg), Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP (Stuttgart)
Förderung: BMBF

Pressemitteilung: Hochschule Kaiserslautern