24. April 2024

Entsorgung von Erdaushub und Böden mit großer Brisanz

Veranstaltung in Buseck mit 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigt akute Problemlage auf

RPegierungspräsidium Gießen und Bauverband informieren über Erdaushub (c) RP Gießen
RPegierungspräsidium Gießen und Bauverband informieren über Erdaushub (c) RP Gießen

Frankfurt/Buseck (pm) – Die gemeinsame Veranstaltung des Verbands baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V. mit dem Regierungspräsidium Gießen im Rahmen der Umweltallianz Hessen in Buseck stieß auf ein großes Echo: Etwa 350 Teilnehmer aus Verwaltung, Kommunen, Ingenieurbüros, Entsorgungsfachbetrieben und Bauunternehmen waren der Einladung gefolgt.

Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich machte in seiner Begrüßung deutlich: „Die Entsorgung von Erdaushub und Bauschutt wird immer komplexer. Dazu trägt vor allem die Rechtslage bei. Die ausführenden Unternehmen stehen vor schwer zu kalkulierenden Risiken.“ Gleichzeitig fehle es an Strategien und Lösungen zur Vermeidung und Verwertung von Erdaushub und Bauschutt sowie dem verstärkten Einsatz von Recyclingbaustoffen.

Frank Dittmar, Präsident des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V., verdeutlichte die Dimension des Problems: „Bau- und Abbruchabfälle stellen den mit Abstand größten Anteil der anfallenden Abfälle in Deutschland dar. In Hessen sind das jedes Jahr circa 13 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle.“ Knapp die Hälfte davon ist Erdaushub. Im Vergleich dazu: Die Menge der Siedlungsabfälle in Hessen beträgt „nur“ vier Millionen Tonnen pro Jahr. Besorgniserregend ist die Verschiebung von bisher als „nicht gefährlich“ deklariertem Abfall hin zu „gefährlichem Abfall“, wie es die Statistik Hessen im vergangenen Jahr mit plus 24 Prozent für das Jahr 2015 festgestellt hatte.

Dass das Thema Erdaushub ein Problem für die Umwelt darstellt, wurde im Laufe der Veranstaltung immer deutlicher. Auf den Autobahnen gehören Lastwagen voller Erde und Bauschutt schon längst zum alltäglichen Bild. Diese Abfälle werden über immer weitere Strecken transportiert und belasten einerseits aufgrund der verkehrsbedingten Treibstoffemissionen die Umwelt und andererseits den Verkehrsfluss sowie die Substanz von Brücken und Straßen erheblich. Abgeladen werden die Bau- und Abbruchabfälle mittlerweile oft mehr als 100 Kilometer von der Baustelle entfernt.

Bereits die Entsorgung von Erdaushub kleinerer Baumaßnahmen, etwa von Wohnhäusern oder Kanalbaumaßnahmen, bereitet zunehmend Probleme und Kosten, die letztendlich jeder Bürger zu tragen hat. In Ballungszentren betragen die Entsorgungskosten für den Aushub eines Einfamilienhauses bis zu 30.000 Euro. Dies sind Kosten für „baufremde Leistungen“, die mit der eigentlichen Bauleistung nichts zu tun haben und das Budget der Bauherren schmälern.

Die Teilnehmer sahen in den unterschiedlichen Analyseverfahren von Erdaushub, die je nach Entsorgungsweg erforderlich sind, ein wesentliches Problem und Ärgernis. Zu Beginn einer Maßnahme ist meist unklar, ob und wo der Erdaushub verwertet oder beseitigt wird. Eine Analyse nach LAGA ist dann weder für die Deponierung noch für die Verfüllung brauchbar.

In mehreren Fachvorträgen wurde die Problematik der Entsorgung und Verwertung erläutert. Hartmut Schwieger vom Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V. führte in das Thema ein und wies unter anderem darauf hin, dass die Verwertung in der Verfüllung in den letzten Jahren noch zugenommen hat und sich der Schwerpunkt der Verfüllung in Hessen mittlerweile in den Bezirk des Regierungspräsidiums Gießen verlagert hat. Norbert Hahn, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV), beschrieb die Situation der Beseitigung und Verwertung von Erdaushub und Bauschutt in Hessen. Er zeigte auf, dass die 2015 im Abfallwirtschaftsplan Hessen prognostizierten Mengen mit den Werten von 2016 noch gut übereinstimmen. Es sei jedoch fraglich, ob die weiteren Prognosen für 2020 und Folgejahre Bestand haben. Eine erhebliche Mengenverschiebung hin zur Deponierung werde eintreten, wenn die Verwertung in der Verfüllung erschwert wird.

Jürgen Decker vom Regierungspräsidium Gießen erläuterte die abfallrechtlichen Begriffe und gab Hinweise zur Verwertung von mineralischen Abfällen in sogenannten „technischen Bauwerken“. Zur Entsorgung von Erdaushub in Steinbrüchen und Tagebauen entsprechend der hessischen Verfüllrichtlinie informierte Hendrik Ebert vom Regierungspräsidium Gießen. Er erläuterte, dass die Verfüllung eines Tagebaus abfallrechtlich keine Deponierung, sondern eine Verwertung darstellt. Daher ist hier das Bodenschutzrecht zu beachten, mit der Folge, dass andere Analysen für andere Parameter als nach LAGA erforderlich sind.

Andreas Lieberknecht vom Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V. beleuchtete die Problematik im Vortrag „Ausschreibung und Vergabe der Entsorgung und Verwertung von Erdaushub“. In zahlreichen Beispielen zeigte er, dass die in der Praxis vorliegenden Ausschreibungen oft mangelhaft sind und weder wirtschaftliches noch nachhaltiges Handeln im Sinne der Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Uta Etienne von Hessen Mobil erläuterte die Vorbereitung und Ausschreibung von Entsorgungsleistungen und Vorteile bei der Verwendung von Recyclingbaustoffen in der Praxis. In Bezug auf teerpechhaltigem Straßenaufbruch sprach sie die Hoffnung aus, dass gegebenenfalls bald eine Anlage zur thermischen Verwertung in Hessen entstehen könnte.

Frank Dittmar fasste in seinem Schlusswort zusammen: „Die heutige Veranstaltung zeigt deutlich, welch großer Handlungsdruck bei der Entsorgung von Erdaushub vorhanden ist. Es ist wichtig, dass Wirtschaft und Behörden im Gespräch sind, damit Lösungen vor Ort gefunden werden. Dies ist uns bereits im RP Kassel gelungen und nun auch im RP Gießen. Die Nöte von Auftraggebern und Auftragnehmern im RP Darmstadt sind die gleichen wie hier. Daher ist dort ein ähnlicher Dialog zu führen. Die Einrichtung eines runden Tisches im RP Gießen – wie es der Regierungspräsident Dr. Ullrich zugesagt hat – dürfte dazu führen, dass wir zu pragmatischen Lösungen im Sinne der Umwelt kommen ohne die Kosten ins Unermessliche zu steigern. Wir wollen bauen und nicht entsorgen. Wenn der Auftraggeber seiner Verantwortung gerecht wird und materialneutral und technikoffen ausschreibt, dann wird die Verwertungsquote steigen und somit auch das Abfallaufkommen und die Transporte sinken. Es kommt letztendlich dem Geldbeutel der Auftraggeber zu Gute, wenn wir Erde nicht als Abfall entsorgen, sondern als Wertstoff begreifen und nutzen.“

Karin Ohm-Winter, Abteilungsleiterin der Abteilung IV Umwelt im Regierungspräsidium Gießen, die mit Andreas Lieberknecht die Veranstaltung moderierte, dankte im abschließenden Resümee den Referenten sowie für die konstruktive Zusammenarbeit von Regierungspräsidium und Verband, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Wesentliche Ergebnisse und Botschaften der Veranstaltung waren aus ihrer Sicht: Auftraggeber müssen sich im Vorfeld einer Baumaßnahme frühzeitig Gedanken machen, was mit dem Erdaushub beziehungsweise den anfallenden Bauabfällen geschehen soll. So können die Entsorger mit den richtigen Analysen Kosten sparen. Der Einsatz von Recyclingmaterial muss stärker in den Köpfen sein, um Abfalltransporte zu reduzieren und nachhaltiges Handeln zu ermöglichen.

Die Präsentationen der Veranstaltung sowie weitere Informationen werden in Kürze auf der Homepage der Veranstalter zur Verfügung stehen.

Pressemitteilung: Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V.