21. Juni 2025

2025: Trends, Herausforderungen und Chancen für den AEC-Sektor

Gastbeitrag – Wird 2025 für den Sektor rund um Architektur, Ingenieurs- und Bauwesen (engl. Architecture, Engineering, Construction, kurz AEC) das erst „normale“ Jahr nach der Pandemie sein?

Während 2024 noch von diversen Herausforderungen gekennzeichnet war – von auslaufenden, staatlichen Konjunkturprogrammen und Sparmaßnahmen in wichtigen Volkswirtschaften über anhaltend hohe Energie-, Material- und Arbeitskosten bis zu hohen Zinssätzen – könnte 2025 ein Jahr des Aufschwungs werden.

Denn dieses Jahr werden womöglich die Voraussetzungen für Trends geschaffen, die das nächste Jahrzehnt prägen. Projekte in den Bereichen digitale Infrastruktur, Hightech-Fertigung und Energiewende treiben entsprechende Aktivitäten voran. Zudem beschleunigt sich die Einführung von Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette und verdeutlicht, wie wichtig und wertvoll KI ist. Und schließlich könnte sich der Fachkräftemangel noch verschärfen – wovon nur Unternehmen profitieren, die rechtzeitig arbeitsintensive Prozesse optimieren und eine stärkere Talentpipeline aufbauen.

1. Nachhaltigkeit treibt Modernisierung und Renovierung an

Könnte 2025 das Jahr des „Second-Hand-Prinzips“ werden? Zumindest dürfte es durch einen steigenden Bedarf an Nachrüstungen (d.h. die Modernisierung oder Nachrüstung eines Gebäudes nach seiner Fertigstellung), Renovierungen und Umbauten gekennzeichnet sein.

Dieser Trend wird durch eine Reihe gesetzlicher, demografischer und wirtschaftlicher Trends unterstützt, insbesondere durch Bestrebungen zu Nachhaltigkeit und Netto-Null-Emissionen. 

EU-Verordnungen wie die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, deren erweiterter Geltungsbereich am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist, drängen Unternehmen weiterhin dazu, Strategien zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden und zur Senkung des Energieverbrauchs zu entwickeln.

Eine enorme Herausforderung für große Unternehmen ist es, standardisierte und nachvollziehbare Informationen über den Energieverbrauch an einer Vielzahl von Standorten zu sammeln, um den Anforderungen externer Auditoren gerecht zu werden. Technologien, die IoT- und Drittsysteme zusammenführen, wie z.B. digitale Zwillinge oder Enterprise Asset Management (EAM)-Plattformen, gewinnen daher an Bedeutung.

Darüber hinaus beschleunigen politische Rahmenbedingungen wie der European Green Deal den Übergang zu Netto-Nullenergiegebäuden bis 2050. Sie treiben einen Wandel in der Herangehensweise voran, bei dem Nachhaltigkeit jede Phase der AEC-Wertschöpfungskette durchdringt, vom ersten Entwurf über die Renovierung und Wartung bis hin zur möglichen Stilllegung. 

Die Netto-Null-Emissionsziele dürften auch eine Reihe neuer Projekte zur Emissionsminderung nach sich ziehen, beispielsweise durch die Nachrüstung von Kraftwerken und Industrieanlagen mit Technologien zur Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung. So hat beispielsweise das Vereinigte Königreich vor kurzem Investitionen in Höhe von 22 Milliarden Pfund in Projekte zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in Merseyside und Teesside angekündigt. Unternehmen, die diesen Weg nicht einschlagen, finden sich zunehmend mit „Stranded Assets“ konfrontiert – Gebäude, die nicht energieeffizient genug sind, um die Vorschriften zu erfüllen, deren Modernisierung aber zu teuer wäre, um wirtschaftlich sinnvoll zu sein. 

Dieses Problem könnte ein Drittel aller Industrie- und Einzelhandelsgebäude betreffen, deren Energieeffizienzklasse D oder schlechter ist.

2. EMIA- und Megaprojekte unterstützen das Wachstum

Die Fähigkeit der AEC-Unternehmen, in der EMIA-Region zu wachsen und Margen zu erzielen, hängt zunehmend von großen, multidisziplinären und privat finanzierten Projekten ab, die häufig außerhalb Europas angesiedelt sind.

Da die größten Volkswirtschaften der Eurozone alle an der Reduzierung der öffentlichen Ausgaben und der Haushaltskonsolidierung arbeiten, könnten europäische Unternehmen einen dreifachen Schlag erleiden: höhere Steuern und Arbeitskosten, Kürzungen bei Subventionen und Konjunkturpaketen, die die Binnennachfrage untergraben, und eine größere Unsicherheit bei öffentlichen Projekten. Im Gegensatz dazu werden die Bauinvestitionen im Nahen Osten, in Indien und in Afrika voraussichtlich um 4 Prozent wachsen, was auf eine Kombination aus großen Energie- und Infrastrukturprojekten zurückzuführen ist.

In allen Regionen bieten digitale Infrastrukturprojekte wie Rechenzentren und Halbleiterfabriken große Chancen, die durch politische Maßnahmen wie den Chips Act in den USA und den European Chips Act in der EU unterstützt werden. Andere Sektoren mit strategischer geopolitischer Bedeutung profitieren zudem vom Trend zur Rückverlagerung der Produktion und zur Schaffung regionaler Produktionszentren als Reaktion auf Zölle und internationale Spannungen.

Aus Sicht der digitalen Technologie haben diese Megaprojekte verschiedene Auswirkungen. Zusammenarbeit und Workflow-Automatisierung werden zu Prioritäten. 51 Prozent der Unternehmen bestätigen die Nutzung von File-Sharing-Seiten für die Zusammenarbeit mit Partnern und 36 Prozent die Nutzung von Software für die Online-Projektzusammenarbeit. Gemeinsame Datenstandards wie CFIHOS oder ISO 19650 sollten zunehmend genutzt werden, um die Zusammenarbeit zwischen einer großen Anzahl von Akteuren zu organisieren.

Das hohe Maß an Unsicherheit und Baurisiko erfordert außerdem eine sorgfältige Auswahl der Projekte, die Bereitstellung von Ressourcen und die Entwicklung von Methoden für die Zusammenarbeit.

3. BIM wird zur Pflicht, digitale Zwillinge gewinnen an Bedeutung

Eine weitere Folge der wachsenden Bedeutung von Großprojekten ist die Notwendigkeit, für Bauwerke jeder Größe Werkzeuge und Methoden einzusetzen, die sich in digitale Backbones integrieren lassen, wie z. B. digitale Zwillinge und BIM („Building Information Modeling“, dt. Bauwerksdatenmodellierung).

BIM setzt sich als Branchenstandard weiter rasant durch. Laut dem AIA Firm Survey Report 2024 ist BIM heute für 95 Prozent der großen und 88 Prozent der mittelgroßen Unternehmen Standard. Auch bei kleineren Unternehmen wird die Einführung von BIM immer mehr zur Norm. 

Regierungen beschleunigen die Einführung zusätzlich. Wir sehen, dass mehr Regierungen die Verwendung von BIM für große öffentliche Projekte vorschreiben, nach dem frühen Beispiel des Vereinigten Königreichs und in jüngerer Zeit auch Spaniens und Irlands. Im Jahr 2025 werden sich AEC-Unternehmen auch darauf konzentrieren, BIM für fortgeschrittene Funktionen zu nutzen, wie z. B. Aufgabenautomatisierung, Beseitigung von Engpässen, Workflow-Optimierung und Fehlerminimierung – zum Beispiel Kollisionserkennung – um Nacharbeiten zu vermeiden.

Während BIM der Standard ist, um eine statische Darstellung der Bauumgebung zu bieten, hinken AEC-Unternehmen bei der Einführung digitaler Zwillinge im Vergleich zu anderen Branchen immer noch hinterher. Das geht auch aus Hexagons Bericht über digitale Zwillinge hervor: Nur 25 Prozent der AEC-Unternehmen erreichen die im Bericht festgelegte technische Reife, verglichen mit 40 Prozent in der Öl- und Gasindustrie und 53 Prozent in der Chemieindustrie. Diese Kluft könnte zu zunehmenden Spannungen führen, da Bauherren und Betreiber AEC-Unternehmen danach auswählen, inwieweit sie in der Lage sind, ihre Entwurfs-, Konstruktions- und Bauprozesse in eine vorgeschriebene Projekt-Zwillingsplattform zu integrieren.

4. KI findet ihren Platz

Prognosen, dass eine KI-Blase im Jahr 2025 platzen wird, sind im Trend. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dies das Jahr sein wird, in dem die Branche zwischen transformativen Anwendungen und solchen, die anekdotisch oder unproduktiv sind, unterscheidet. 

Zu den produktivsten Anwendungen gehören die Indexierung, Kontextualisierung, Organisation und Abfrage der riesigen Mengen an Dokumenten und unstrukturierten Daten, auf die sich AEC-Unternehmen stützen.

Andere ausgereifte Anwendungen des maschinellen Lernens – wie die vorausschauende Wartung von Baumaschinen oder Computer-Vision – werden voraussichtlich auch 2025 weiter an Bedeutung gewinnen, da Unternehmen eine nachgewiesene Rendite gegenüber explorativen Pilotprojekten bevorzugen.

Generative KI könnte unterdessen vor einer Abrechnung stehen. GenAI-Tools für Verbraucher werden zunehmend skeptisch betrachtet, jede zweite AEC-Führungskraft äußert Bedenken hinsichtlich der Regulierung. Diese Verschiebung ebnet den Weg für privat trainierte Modelle, die auf branchenspezifische Bedürfnisse zugeschnitten sind und den Schwerpunkt auf Zuverlässigkeit, Sicherheit und Compliance legen.

Unter den AEC-Vertikalen scheint das KI-Potenzial Bauunternehmen am meisten zu begeistern. Fachleute dieser Branche sind doppelt so häufig wie in Architektur und Ingenieurwesen der Ansicht, dass KI ein mehr als adäquates Instrument ist, um die betriebliche Effizienz zu verbessern und die Projektabwicklung zu beschleunigen.

5. Generationswechsel treiben Veränderungen in der Praxis voran

Die optimistische Einstellung des Bausektors zur KI spiegelt die dringende Notwendigkeit wider, Prozesse zu optimieren – und die Arbeitsproduktivität angesichts demografischer Herausforderungen wie einer rasch alternden Belegschaft sowie einem Mangel an Neueinstellungen zu steigern.

Allein in der EU werden in diesem Sektor schätzungsweise 4,1 Millionen Arbeitskräfte benötigt, um diejenigen zu ersetzen, die vor allem aufgrund von Pensionierungen ausscheiden. Diese Herausforderungen werden durch die Wahrnehmung des Baugewerbes als unattraktiver Karriereweg noch verschärft. Körperlich anstrengende Tätigkeiten, Arbeitsplatzunsicherheit und ein Mangel an klaren Aufstiegsmöglichkeiten halten jüngere Generationen davon ab, in die Branche einzusteigen.

Die Folge ist eine rasche Überalterung der Belegschaft. In Europa ist bereits jeder dritte Bauarbeiter über 50 Jahre alt, und aufgrund der körperlichen Anstrengung der Arbeit ist es weniger wahrscheinlich, dass die Arbeitnehmer über das gesetzliche Rentenalter hinaus in der Branche bleiben. Dieser Trend gilt weltweit. Das Durchschnittsalter der Bauarbeiter liegt zwischen 42 Jahren in den Vereinigten Staaten und 51 Jahren in Südkorea. 

Diese Herausforderungen beschränken sich nicht nur auf den Bausektor: Sie erstrecken sich über die gesamte AEC-Wertschöpfungskette und spiegeln globale Trends wider. So erreichte die Bevölkerung Europas 2024 ihren demografischen Wendepunkt und begann erstmals in einer Friedensperiode zu schrumpfen.

Im Jahr 2025 und darüber hinaus führt dieser Trend zu einem schrumpfenden Talentpool und einem verschärften Wettbewerb um spezialisierte Berufe. In Sektoren wie Öl und Gas sowie Kernenergie wirkt sich der Mangel an Bauarbeitern bereits auf Projektlaufzeiten aus. 

Wie können AEC-Unternehmen reagieren? Zunächst erwarten wir, dass große Unternehmen Schulungsinitiativen in Bereichen mit Fachkräftemangel verstärken. 

Zudem müssen sich Unternehmen jeder Größe darauf konzentrieren, verschwenderische manuelle Praktiken wie Papierprotokolle zu beseitigen, die Zeit an den Werkzeugen zu maximieren und der Digitalisierung und Automatisierung Vorrang zu gewähren. Strukturierte Methoden wie „Advanced Work Packaging“ (AWP) und optimierte Arbeitsabläufe von der Planung bis zur Übergabe nehmen an Bedeutung zu.

Diese Signale deuten auf einen breiteren Trend hin: In den kommenden zehn Jahren wird die digitale Transformation stark von der Fähigkeit getrieben, Qualifikationsdefizite und Generationswechsel auszugleichen. Der Einsatz von Technologie zur Verringerung der Arbeitsintensität sowie die Priorisierung der Ausbildung und Bindung von Fachkräften sind für den Projekterfolg, das Umsatzwachstum und die Rentabilität von zentraler Bedeutung – im Jahr 2025 und darüber hinaus.

Gastbeitrag
© Mateja Matko / Edouard Podolak

Die Autoren

Mateja Matko
Mateja Matko ist Senior Industry Consultant in der Asset Lifecycle Intelligence Division von Hexagon. In dieser Funktion verfügt sie über mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen Informationstechnologie, technische Software und digitale Transformation. Als Absolventin der Universität von Ljubljana mit einem Abschluss in Bauingenieurwesen verfügt sie über Erfahrungen in den Bereichen Kundenerfolgsmanagement, Geschäftsentwicklung und Softwareimplementierung. In ihrer derzeitigen Funktion berät Mateja Kunden in der gesamten EMIA-Region in Bereichen wie BIM, Projektmanagement und risikobasierte Ansätze und hilft ihnen, ihre Prozesse zu digitalisieren und die Transparenz und Vorhersagbarkeit von Projekten zu verbessern.

Edouard Podolak
Edouard Podolak ist Executive Industry Consultant im Bereich Asset Lifecycle Intelligence von Hexagon und spezialisiert auf digitale Lösungen für die industrielle Instandhaltung und den Betrieb, einschließlich Enterprise Asset Management (EAM) und Asset Performance Management (APM).
Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in den Bereichen Softwareentwicklung, Projektmanagement und Unternehmensberatung hat er führende Unternehmen in den Bereichen Versorgungsunternehmen, öffentlicher Nahverkehr, Bauwesen, Bergbau und Fertigung bei der Transformation und Steigerung der betrieblichen Effizienz unterstützt. Podolak hat einen Abschluss als Ingenieur vom Institut National des Sciences Appliquées de Rennes und ist „certified in Production and Inventory Management“ (CPIM).

Gastbeitrag von Hexagon