20. April 2024

1989: Friedliche Revolution in der Stadterneuerung – Kaiserslauterer Forscher koordinieren Projekt

Auf dem Bild zu sehen ist Oderberger Straße in Ostberlin 1987. Foto: Gerd Danigel, Berlin

Kaiserslautern (pm) – Die Bewahrung hochrangiger Baudenkmale in Ostdeutschland, oft buchstäblich in letzter Minute, ist eine Erfolgsgeschichte der deutschen Einheit, die auch Einheits-Skeptiker nicht in Frage stellen. Doch wer organisierte binnen weniger Wochen die Soforthilfe zur Rettung der historischen Innenstädte? Wie gelangte der Währungsumtausch der Grenzgänger in die Fonds baulicher Soforthilfe? Warum waren Stralsund, Meißen, Halberstadt, Weimar und Brandenburg die ersten Städte, die Sanierungsmittel erhielten? Damit befasst sich das Projekt „Stadt-Wende“, das an der Technischen Universität Kaiserslautern koordiniert wird. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

So bedeutete die politische Wende von Herbst 1989 für viele Altstadtkerne und Gründerzeit-quartiere eine Rettung in letzter Minute. „Die unbürokratisch umgesetzten Programme der Städtebauförderung ließen in den Folgejahren zahlreiche Altbauquartiere in neuem Glanz erstrahlen – und damit die identitätsstiftende Mitte der Städte“, sagt Projektkoordinator Dr. Thomas Fischer von der TUK weiter. Anderseits war der katastrophale Zustand vieler Städte selbst ein Auslöser des politischen Umbruchs gewesen: Nicht wenige Bürger gingen auf die Straße, weil sie dem Verfall ihrer Stadt nicht weiter tatenlos zusehen mochten. Sie schlossen sich zusammen und wurden selbst aktiv.

Neuere Forschungen belegen, dass engagierten Bürger, aber auch Architektinnen und Stadtplaner der DDR die entscheidenden Impulse für den radikalen Kurswechsel der Städtebaupolitik gaben. Erst sie ermöglichten, dass die Soforthilfe-Programme des Bundesbauministeriums auch zielgerichtet umgesetzt werden konnten. Die Oderberger Straße am Prenzlauer Berg in Berlin steht exemplarisch für eine durch mutiges Bürgerengagement abgewendete Abbruch-Planung der späten DDR.

Das BMBF-Forschungsprojekt „Stadt-Wende“ soll unter anderem durch eine Vielzahl von Zeitzeugeninterviews die Bedeutung der DDR-Bürgerbewegung und der ostdeutschen Planerinnen und Planern für das Gelingen der ostdeutschen Stadterneuerung erforschen. Beteiligt sind neben der TU Kaiserslautern, das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner, die Bauhaus-Universität Weimar sowie die Universität Kassel. Das Projekt ist im Januar 2019 gestartet.

Schon der jetzige Kenntnisstand macht deutlich, dass der radikale städtebauliche Kurswechsel keineswegs ein bloßer West-Export war. Engagierte Bürger, Denkmalpfleger aber auch Architektinnen und Stadtplaner hatten sich in der DDR seit Beginn der 1980er Jahre anfangs verdeckt, später zunehmend offen und für Denkmalbauten und den Erhalt historischer Quartieren eingesetzt und die zerstörerische offizielle Städtebaupolitik angeprangert.

Neben Erfurt, Greifswald, Görlitz und Schwerin war ein bedeutsamer Ort dieser baupolitischen Opposition Berlin. Hier hatten sich in Mitte, aber auch am Prenzlauer Berg, gegen Ende der 1980er Jahre oppositionelle Kräfte formiert. Ein Zentrum dieser oppositionellen Bewegung war die gut vernetzte, aufmüpfige Bewohnerschaft der Oderberger Straße. Aus Planerkreisen hatten die Bewohner erfahren, dass ihre Häuser abgebrochen und durch Plattenbauten ersetzt werden sollten. Dagegen protestierte die unter dem Dach des offiziellen Wohngebietsausschusses agierende Gruppe bei der SED-Kreisleitung Berlin. Hier wie auch andernorts unterbreiteten die engagierten Bürger Alternativentwürfe zu den Abbruchplänen, die später vielfach zur offiziellen Planung wurden.

Innerhalb des Forschungsprojektes sollen diese Entwicklungen zum ersten Mal umfassend unter-sucht werden, wobei den Schlüsselakteuren der Bewegung gegen den Altstadtverfall ein besonderes Augenmerk gilt. Neben dieser Grundlagenforschung wird im Projekt großen Wert auf die Vermittlung in die heutige Öffentlichkeit gelegt. Neben einer umfassenden Website (www.stadtwende.de) sind eine Wanderausstellung, Filmdokumentationen sowie eine Buchveröffentlichung vorgesehen.

Pressemitteilung: TU Kaiserslautern